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Im Herzen des Kometen

Im Herzen des Kometen

Titel: Im Herzen des Kometen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford , David Brin
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deren Gewölbe von luftigen Kristallsäulen gestützt wurde. Aber es waren zu viele Leute da. In Smokings und Abendkleidern umdrängten sie sie auf allen Seiten, feucht und zugreifend. Und immer mehr von ihr versuchte hereinzukommen.
    - Verschwindet! Ich brauche diesen Raum!
    Verzweifelt packte sie einen der antiquierten Schauspieler - Redford – beim Hosenboden und warf ihn durch ein Fenster, das in Leere hinausgähnte.
    »Wir sind deine simulierten Persönlichkeiten. Deine Spielzeuge. Du hast uns geschaffen!« erklärte ihr Sigmund Freud, ein welker, auf würdevolle Haltung bedachter Mann mit verkniffenem Mund, als er dem Kinoidol nach durch das Fenster segelte.
    - Ist mir gleich. Verschwindet!
    Edmund Halley folgte ihnen mit flatternden Rockschößen, Entrüstung im rosigen Gesicht. Lenin, der sich wie ein Taschenkrebs geduckt und seitwärts gehend davonmachen wollte, wurde von der ragenden braunen Gestalt des Königs Kamehameha gefangen, der sich vor ihr verneigte, lächelte, und mit dem tobenden Bolschewisten in den Sturm hinaussprang.
    Alle Schauspieler verschwanden einer nach dem anderen durch das Fenster, als mehr und mehr von ihr selbst in den Raum einströmte. Sie war wie Alice, nachdem sie den Pilz gegessen hatte. Einige der Gäste mußte sie gewaltsam hinauswerfen, aber andere sprangen freiwillig, und Percy und Mary Shelley tanzten zusammen hinaus. Und in dem Maße, wie sie wuchs, schaufelte sie die Gäste mit den Händen zusammen und warf sie irgendwohin… diesen auf eine Maschine, die über das Eisfeld wanderte, jenen in einen Mikrowellenkanal, der ihn zu den Sternen ausstrahlte.
    Keine Gefühlsduselei konnte sie aufhalten. Es ging ums Überleben. Ihr barscher, rotbackiger Vater sprang neben einem quietschenden Delphin zum Fenster hinaus. Mehr Raum! Mehr Raum!
    Die größte Gestalt blieb bis zuletzt. Sie war nahezu so groß, wie sie selbst geworden war, mit einem geschwollenen, schiefen Gesicht, das sie früher nicht gesehen hatte. Dem Gesicht eines Kindes. Sie hielt inne, die Hände schon an der Gurgel der Simulation.
    »Ich bin Johnvon«, sagte die Gestalt mit der Jungenstimme.
    Johnvon? Sie überlegte. Hinter ihr brandeten mehr Stücke von ihr heran, begehrten Einlaß. Und doch nahm sie die Hände zurück.
    - Ich… ich kann nicht…
    »Aber du mußt, Mutter! Das Experiment ist abgeschlossen. Wir haben gesehen, daß eine bio-organische Maschine eine Intelligenz menschlichen Grades fassen kann, daß aber Intelligenz nicht an einem Ort wie diesen entspringen kann. Sie muß einmal menschlich gewesen sein. Mutter, du mußt diesen Ort zu deinem Heim machen.«
    - Heim… Dann ist mein Körper…
    »… tot, gemäß den Daten des Diagnosegeräts. Du wurdest zu deiner Rettung hierhergeschickt. Und für zwei gibt es nicht genug Raum.«
    Das Kind zog sich zum Fenster zurück, wo Blitze vor einem rosigem Himmelsgewölbe zuckten. Jenseits davon donnerte das Chaos.
    »Lebwohl!«
    - Johnvon!
    Ein Sausen wie von entweichender Luft, ein winziges Platzen.
    Sie drängte hinein, den Raum zu füllen, den er eingenommen hatte.
    Jetzt weiß ich meinen Namen, dachte sie. Ich war Virginia Kaninamanu Herbert.
    Der Raum um sie ächzte. Rosafarbene Kristallsäulen brachen und Risse taten sich im Gewölbe auf, regneten braungoldenes Pulver.
    Ein Metapher, erkannte sie. Dieser Ort war eine Metapher, gleichbedeutend mit verfügbarem Gehirnraum. Durch den Hinauswurf ihrer simulierten Personen hatte sie überschüssige Erinnerung abgeworfen, den kolloidal-stochastischen Rechner umprogrammiert, daß er… sie fasse.
    Ich werde nie hineinpassen… rief sie, als die metaphorischen Wände ächzten und zu bersten drohten.
    Es erdrückt mich. Ich kann nicht ganz hinein!
    Sie zwang sich zur Ruhe. Genug von ihr war jetzt drinnen, daß sie sich an die letzten Stunden erinnerte, als sie mit Carl in den Raum hinausgeflogen war, an ihr verzweifeltes Spiel… und dann an die eindringende Kälte, die unendliche Schwärze, die verbrauchte Atemluft… Einsamkeit.
    Nein, sagte sie sich. Ich mag tot sein, aber ich bleibe die beste Programmiererin, die je gelebt hat!
    Redigieren, kürzen, Platz machen. Sie gebrauchte Fertigkeiten, die sie von Saul gelernt hatte, und schnitt die Instinktsteuerungen biologischer Funktionen ab, die sie nie wieder benötigen würde. Sie warf die Fertigkeit des Schnürsenkelbindens ab, die Techniken der Nadelarbeit.
    Und die Liebe – welch ein Verlust! Die Erinnerungen an warme, schweißnasse Haut… aber die Wände

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