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Im Herzen des Kometen

Im Herzen des Kometen

Titel: Im Herzen des Kometen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford , David Brin
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Er hatte ihn seit Stunden mehr oder weniger geistesabwesend in den Händen gehalten.
    Er hielt ihn hoch. »Seit Wochen trage ich das Ding mit mir herum und studiere es. Es ist eine Besessenheit. Aber daran hatte ich im Moment nicht gedacht.« Sein Blick wanderte zu der Kühleinheit, die sechzehn Liter tiefgekühlten organischen Prozessor enthielt. Virginia glaubte zu verstehen.
    »Ganz gleich, wo du dich aufhältst, Saul, du bist bei mir.«
    Er nickte. »Ich weiß… es ist bloß…«
    »Bloß, daß die physikalische Nähe meiner organischen Erinnerung hier am stärksten ist?«
    Er zeigte das alte schiefe Lächeln mit den zusammengekniffenen Augen, das eine Ironie mitteilte, die bei ihm immer nahe an der Oberfläche war.
    »Bin ich so leicht durchschaubar?«
    »Für einen, der dich liebt, ja«, sagte er. »Es gibt Zeiten, da wünschte ich…«
    »Ja?«
    »Ich hätte eine Möglichkeit finden können, ein geklontes Duplikat von dir zu machen.«
    »Damit du mich – oder jemand wie mich – in den Armen halten könntest?«
    »Die Erinnerung macht manches nur noch viel schlimmer.«
    »Es gibt…« Sie fühlte kein wirkliches Zögern, und in ihrem Fall hätte jede Unschlüssigkeit ohnedies nicht länger als Millisekunden gedauert, aber sie mußte Redegewohnheiten und Nuancen einer lebender Person aufrechterhalten. »Es gibt unsere Aufzeichnungen.«
    Er schmunzelte. »Du weißt, wie oft ich sie abgespielt habe.«
    Eine Andeutung von Schüchternheit. »Ich könnte… sie vermehren.«
    »Nein!« Er schlug mit der Faust auf das Stuhlgeflecht. »Ich möchte die wirkliche Virginia.«
    »So würde es sein.«
    »Als wir die Aufzeichnungen machten, war es ein Ulk, wie bei Leuten, die im Schlafzimmer Polaroidbilder von sich machen. Wir hatten niemals die Absicht, daß nur einer von uns sie abspielen würde.« Er schüttelte den Kopf. »Auf diese Weise, ohne dich – ohne deine wirkliche Person…«
    »Aber ich bin ich. Wirklicher als jede holographische Darstellung! Und wenn ich mich in die sensorische Verbindung einschalte, ist es eine ältere und wahrscheinlich weisere Virginia, die du dort treffen wirst.«
    Saul hatte diesen Vorschlag früher schon widerstanden, aus Gründen, die ihr nicht ganz klar geworden waren. Nun aber, vielleicht unter dem Eindruck der Einsamkeit und Gefahr, hob er den Kopf und starrte in ihre Optik. »Ich… würde es so sein?«
    Sie konnte nicht garantieren, daß es eine echte Virginia sein würde, in Bernstein fixiert. Sie war nicht die Persönlichkeit, die in Johnvons enge Persona geflutet war und sie überschwemmt hatte. Langsame Entwicklung und selbst eingeleitete Fortschritte hatten sie seit jenen Jahren ein weites Stück vorangebracht. Aber das brauchte Saul nicht zu wissen, und auch sonst niemand.
    »Komm zu mir, Saul!«
    Er streckte die Hand nach dem Helm aus. Zu ihrer Überraschung verspürte sie Nervosität.
    Vielleicht würde es auch für sie eine Rückkehr sein.
     
    Kurz vor dem Perihel hörte der Rückzug der Sonne nach Süden auf, und sie begann wieder zu steigen. Mit ihrem Anwachsen näherte sie sich dem Äquator. Der Komet erzitterte und eruptierte in der nichtendenwollenden Glut des immerwährenden Mittags. Die südliche Hemisphäre, ein Jahr lang ausgebrannt und ausgehöhlt, kühlte nun ab, während der Norden unter der Wildheit des Angriffs erbebte.
    Wasser und Kohlendioxid leiteten mit ihrer Verflüchtigung Wärme vom rotierenden Kometenkern ab. Seine Oberfläche brach an vielen Stellen auf, vor allem entlang den schwächenden Abdrücken, die der Mensch in sieben Jahrzehnten darauf hinterlassen hatte. Weitere Elemente wurden flüchtig und explodierten, scharfkantige Brocken verwitterten innerhalb von Minuten zu rundlichen Knollen, als wären sie einem Sandstrahlgebläse ausgesetzt. Staub und Gesteinsschutt erhoben sich, durch die Ausbrüche hochgerissen, von der Oberfläche und verteilten sich zu schwebenden Schichten, die kurzzeitig das Eis darunter abschirmten, bevor sie fortgerissen wurden und in den Staubschweif eingingen.
    Am Nordpol, dem bis dahin das Ärgste erspart geblieben war, biß die Sonnenwärme tief ins Eis. Seit den Zeiten der großen Seuchen hatten einige Fraktionen ihre unwiderruflich Toten nahe dem Pol im Eis vergraben. Nun wurden sie von der Wärme exhumiert.
    Der Zufall wollte es, daß das Geschehen durch ein Sehrohr, welches in einem geschützten Winkel am genauen Nordpol die Oberfläche durchstieß, von einer Videokamera aufgezeichnet wurde. Explodierende Gase

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