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Im Herzen des Kometen

Im Herzen des Kometen

Titel: Im Herzen des Kometen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford , David Brin
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hoben die eingewickelten Eismumien aus ihren Gräbern und schleuderten sie himmelwärts. Die Strahlungshitze entließ ionisierten Sauerstoff aus dem Eis, und die Körper gingen in Flammen auf und erhellten die Landschaft mit orangefarbenen Feuerbränden. Diese Fackeln, von den chaotischen Urgewalten hoch- und niedergerissen, vollführten einen wahren Teufelsreigen, bevor sie erloschen und für immer in der Strömung verschwanden, die von der Sonne ausging.
     
    »Verdammt! Wir sind durch!«
    Carls verblüfftes Gesicht schob sich in das dreidimensionale Simulationsmodell, das sie im holographischen Projektionsraum aufbaute.
    »Ja. Du kannst frohlocken«, sagte sie.
    »Wie hast du es gemacht?«
    »Vektormechanik, nichts weiter.«
    »Das war großartig!« sagte Lani. Ihre großen Augen schienen verwundert, daß sie noch am Leben war. Und Virginia begriff in einer mehr theoretischen Art und Weise, daß sie alle wirklich zu sterben erwartet hatten.
    »Ich habe die Wahrscheinlichkeiten erklärt«, sagte Virginia. »Sicherlich…«
    Carl lachte erleichtert. »Wir dachten, du wolltest uns nur Mut machen.«
    »Ich hatte die Berechnung zugänglich gemacht – ach, Carl.« Virginia schickte diesem Satz ein leises Lachen hinterher, denn hätte tatsächlich jemand ihre Berechnung überprüft, so wäre dabei herausgekommen, daß sie eine Überlebenswahrscheinlichkeit von drei zu eins gemeldet hatte, wo sie in Wirklichkeit nur zweiundfünfzig Prozent betragen hatte. Aber sie war sicher gewesen, daß niemand die gesamte komplizierte Kalkulation nachrechnen würde. Im Laufe von dreißig Jahren hatten alle gelernt, sich auf sie zu verlassen, geradeso wie sie sich auf Sauls biologisch-medizinische Wunder verließen.
    Lanis Augen leuchteten. Sie war voll froher Erwartung. »Wann können wir hinausgehen? Ich möchte wieder in einem Gewächshaus in der Sonne stehen.«
    »Das wird noch ein halbes Jahr dauern«, sagte Virginia in erstem Ton.
    »Macht nichts, wir werden hier drinnen genug zu tun haben«, sagte Carl und schlug Lani zärtlich aufs Hinterteil.
    Es war unschwer zu erraten, woran er dachte. Man konnte es aus seinem psychologischen Profil herauslesen, aber Virginias Intuition sagte ihr noch mehr. Carl war seit Jahrzehnten emotional blockiert gewesen, und das war vielleicht entscheidend für das Überleben der Expedition gewesen. Nun hatten Zeit und Umstände seltsam zusammengewirkt und ihn befreit. Der jugendliche Carl hatte auf Lanis stille, bescheidene Gaben nicht reagiert – nicht reagieren können. Dieser älter gewordene, weisere Carl konnte es und sollte es auch.
    Irgendwo in den kompakten Räumen organischer Erinnerung entfachte der Gedanke eine Regung von Humor und Ironie. Er bekommt, was er brauchte, auch wenn es nicht das ist, was er wollte. Virginia nahm sich vor, Lani innerhalb von vierzig Tagen für eine ärztliche Routineuntersuchung einzutragen.
     
    Der Hitzesturm wollte nicht nachlassen. Obwohl sie im Perihel das Schlimmste überlebt hatten, drang noch immer Wärme nach innen. Virginia sandte Männer und Frauen und Maschinen hierhin und dorthin, eingestürzte Stollen und ganze Schächte, deren Wände zu sprudeln und zu verdampfen begannen, ringsum abzuriegeln. Im Vakuum erwärmt, verflüchtigt sich Eis unmittelbar zu Dampf, ohne flüssig zu werden. Ebenso verhielten sich Gase mit niedrigem Gefrierpunkt wie Ammoniak, Methan und Kohlendioxid. Als Halleys narbenbedeckte Haut fortgerissen war und die allmählich einsetzende Abkühlung den Ausgasungsprozeß verlangsamte, begann Virginia ihr großes Experiment.
    Maschinen wagten sich aus den erodierten Öffnungen noch intakter Schächte ins Freie. Sie schafften Tafeln aus amorphen Silikaten an die Oberfläche, Schlamm, Sand und Schutt, der im Laufe jahrelanger Bergbauarbeiten als Abraum angefallen, getrocknet, gesiebt und gepreßt worden war. Rasch bedeckten die Maschinen ausgewählte Flächen nahe dem Halley-Äquator mit Feldern von schiefergrauen Tafeln und verbanden sie miteinander. Die Tafeln waren zu schwer, als daß normale Ausgasungen von unten sie hätten fortreißen können, und die Maschinen sicherten sie zusätzlich durch verankerte Kabel.
    Die Wirkung der Maßnahme ließ auf sich warten. Halley rotierte jetzt mit einem Tag von nur drei Stunden um seine Achse. Zu einem genau berechneten Zeitpunkt schirmten die Silikattafeln das Eis gegen die Sonneneinstrahlung ab. Über dieser Zone ließ die Ausgasung nach. Weitere Flächen folgten, und dieser Unterschied im

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