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Im Herzen des Kometen

Im Herzen des Kometen

Titel: Im Herzen des Kometen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford , David Brin
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hatte schon sechsundneunzig Prozent betragen, bevor die Maschinen der Menschen ihr beharrliches Abdrängen begonnen hatten. Nun verengte sich die Wendekurve mit jeder Stunde und brachte einen sengenden Sommer. Halley war der erodierenden Hitze niemals so nahe gekommen.
    Die Stollen und Schächte gaben ausgezeichnete akustische Röhren ab. In dem Maß, wie im Eis neue Spannungen entstanden und Entladung suchten, drang der Widerhall des Knirschens und Ächzens bis tief in den Kern und weckte die Schläfer – obgleich es von diesen nur wenige gab, als die entscheidenden Stunden heranrückten.
    Mit einer Geschwindigkeit von fünfzig Kilometern pro Sekunde stürzte der Komet auf seinen alten Feind zu. Jedes frühere Treffen hatte ihm eine Eisschicht abgerissen, nun aber zerrten neue Kräfte an ihm, die ihn auf dem Amboß seiner Sonne zu zerschmettern suchten.
    Virginia beobachtete den heulenden, blendenden Sturm durch elektronische Augen. Ausfallende Kameras ersetzte sie mit Hilfe von Maschinen durch andere. Die Sonne glühte doppelt so groß wie von der Erde ausgesehen, aber von der Oberfläche des Kometen war keine weißglühende Scheibe zu erkennen. Der Komet rotierte wieder, erlebte aber keinen Sonnenaufgang. Statt seiner bedeckte die grelle Lohe der Korona den Himmel. Eine Stelle siedender Helligkeit kennzeichnete den Bereich, wo die Sonnenstrahlung auf die vom Kometen explodierende Ionenflut traf, und der Sieg fiel unausweichlich der Hitze zu. Gespalten und ionisiert, wurden die Gase seitwärts abgelenkt und fluteten in einer magnetisierten Decke um die kleine Eiswelt zurück.
    Diese brodelnde Atmosphäre kannte keine Loyalität zu ihrem Erzeuger, sondern verbreitete sich rasch auswärts.
    Halleys doppelter Schweif erstreckte sich nun über eine Spanne, die weit über die Merkurbahn hinausreichte. Das schimmernde Plasmabanner enthielt weniger Wasser als ein größerer Teich, aber die Lichtflut der Sonne machte ihn zum auffallendsten Objekt im Sonnensystem. Mit astronomischen Fernrohren ausgerüstete Bewohner eines benachbarten Sternsystems hätten die beinahe geraden, schimmernden Vorhänge ionisierter Gase beobachten können. Der Staubschweif war im Gegensatz dazu ein gebogener Streifen, durchzogen von dunklen Spuren, funkelnd von Eiskristallen und kleinen Gesteinstrümmern.
    Jene aber, die im Kometenkern saßen, konnten den schönsten Schweif nicht sehen, der in der gesamten niedergeschriebenen Geschichte je einen Kometen zierte. Als er sich dem Schwerezentrum seines Zentralsterns weiter näherte, breitete sich der Lichtschweif aus und verschlang den ganzen Himmel. Geblendet, konnten Halleys Bewohner nicht einmal seine Nemesis sehen. Wohin das Auge auch blickte, überall schlug ihm blendender Lichtglanz entgegen.
    Virginia hatte diesen Effekt sorgfältig berechnet, denn er war der Schlüssel. Wäre der Komet ohne Eigenrotation geblieben, so wäre die der Sonne zugekehrte Seite zu der Vierhundert-Grad-Temperatur aufgeheizt worden, die ein fester Himmelskörper in dieser Sonnenentfernung haben würde. Nun galt ihre Aufmerksamkeit vor allem den Temperaturmessern, die zur Kontrolle in verschiedenen Tiefen im Eis vergraben waren. Die Rotation der Eiswelt bewirkte eine ausgeglichene Erwärmung der oberen Schichten, die allmählich weiter nach innen vordrang, und zugleich ermöglichte sie der Nachtseite die Wärmeabstrahlung in den Raum.
    Aber die Schwärze verblaßte mehr und mehr. Bald reflektierte die Gashülle des Kometen Sonnenlicht von allen Seiten auch auf die sonnenabgewandte Hälfte, und die Temperaturen stiegen viel rascher, als der Himmelskörper ins Perihel kam.
     
    »Sieht schlecht aus.« Carl beobachtete die Monitoraufnahmen auf den Bildschirmen der Zentrale. Lani stand an seiner Seite. »Wir haben bereits zwanzig Meter Eis durch Ausgasung verloren!« sagte er. »Wie lange wird es noch dauern, bis wir auseinandergerissen werden?«
    Virginia spürte seine ungeduldige Gereiztheit. Er war ein Mann, der Probleme löste, und in dieser großen Krise fiel ihm keine Rolle zu. Wie die anderen, war er ein hilfloser Passagier an Bord seines eigenen Schiffes.
    »Wir sind sicher«, sagte sie aufmunternd und unterlegte die Stimme mit Modulationen im Alt, die ihre Stimme voller machten, als das Original je gewesen war.
    »Die Schachtversiegelungen?«
    »Intakt«, sagte Virginia und zeigte Ansichten der Stahldeckel, die zweihundert Meter im Inneren aller Schächte angebracht worden waren. Über ihnen wehrten mächtige

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