Im Innern des Wals
schreiben, die er wirklich schreiben wollte. Sie mag es ihm erleichtert haben, vor der gesellschaftlichen Konvention zu kapitulieren, aber die Ursache der Kapitulation lag in dem Bruch seines eigenen
Charakters, in seiner Sucht nach Erfolg.
Einige von Mark Twains Büchern werden weiterleben, weil
sie unschätzbares geschichtliches Material über die sozialen Verhältnisse ihrer Zeit enthalten. Sein Leben fiel mit der großen Epoche der amerikanischen Expansion zusammen. Als er ein
Kind war, bestand ein gewöhnlicher Ausflug darin, mit einem Picknickkorb ausgerüstet hinauszuwandern und zuzusehen, wie ein Vorkämpfer der Sklavenbefreiung gehängt wurde. Und als er starb, hatte das Flugzeug aufgehört, etwas Neues zu sein. In diesem Abschnitt des amerikanischen Lebens ist recht wenig Literatur entstanden, und ohne Mark Twain wäre unsere
Vorstellung von einem Mississippi-Dampfer oder einer über die
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Prärie dahinrollenden vierspännigen Postkutsche zweifellos weniger vollständig. Aber die meisten, die seine Bücher gelesen haben, haben sie mit dem Gefühl aus der Hand gelegt, daß er mehr hätte leisten können. Er macht die ganze Zeit den
Eindruck, als sei er im Begriff, etwas zu sagen, um es dann hinunterzuschlucken. Life on the Mississippi und die übrigen scheinen ständig wie von dem Geist eines größeren und in sich geschlossenen Werkes begleitet zu sein. Bezeichnend, daß er seine Autobiographie mit den Worten beginnt, daß sich das Innerste eines Mannes nicht beschreiben läßt. Wir wissen nicht, was er zu sagen gehabt hätte. Möglicherweise hätte das
erwähnte nicht erhältliche Pamphlet Aufschluß gegeben, aber wahrscheinlich hätte es seinem Ruf zu sehr geschadet und seine Einkünfte auf ein vernünftiges Maß beschränkt.
Tribüne, 26. November 1943
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Rudyard Kipling
Es ist bedauerlich, daß T. S. Eliot in seinem langen Essay, den er der Auswahl von Kiplings Gedichten voranschickte, so sehr in der Defensive blieb, aber es war unvermeidlich. Denn bevor man überhaupt etwas über Kipling sagen kann, muß man mit
einer Legende aufräumen, die von zwei Gruppen in die Welt
gesetzt worden ist, die seine Werke nicht gelesen haben. Kipling befindet sich in einer eigenartigen Lage; er war fünfzig Jahre lang ein Inbegriff. Fünf literarische Generationen hindurch hat jeder Aufgeschlossene ihn verächtlich gemacht, und schließlich sind neun Zehntel dieser Aufgeschlossenen in Vergessenheit geraten, während Kipling gewissermaßen immer noch lebt. T. S.
Eliot hat nirgends eine befriedigende Erklärung dafür, weil er als Antwort auf die seichte, übliche Beschuldigung, Kipling sei ein »Faschist«, in den entgegengesetzten Irrtum verfällt, indem er Kipling da verteidigt, wo er nicht zu verteidigen ist. Es wäre zwecklos, vorgeben zu wollen, daß Kiplings Weltanschauung
als Ganzes von irgendeinem zivilisierten Menschen bejaht oder entschuldigt werden könnte. Es ist sinnlos, behaupten zu wollen, daß Kipling, wenn er zum Beispiel schildert, wie ein englischer Soldat einen »Nigger« mit einem Ladestock verprügelt, um Geld aus ihm herauszupressen, lediglich einen Vorgang habe
schildern wollen, ohne ihn deshalb zu billigen. Es findet sich im ganzen Werk Kiplings nirgends auch nur der leiseste Hinweis, daß er Vorgänge dieser Art mißbilligt hätte - im Gegenteil, man stellte eine ausgesprochene Tendenz zum Sadismus fest, die weit über die Brutalität hinausgeht, zu der ein Schriftsteller seines Schlages sozusagen verpflichtet ist. Kipling ist ein imperialistischer Jingo, moralisch gefühllos und ästhetisch abstoßend. Es ist besser, man gibt das gleich am Anfang zu und versucht dann erst herauszufinden, warum er fortlebt, während die Sensiblen, die die Nase über ihn rümpften, sich so schlecht gehalten haben.
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Und doch muß auf die »Faschismus«-Anklage geantwortet
werden, weil der erste Schritt, um Kipling moralisch und
politisch zu verstehen, in der Feststellung liegt, daß er kein Faschist war. Er war weiter davon entfernt, als der humanste oder »fortschrittlichste« heute Lebende sein kann. Ein
interessantes Beispiel, wie mit Zitaten umgegangen wird, ohne auch nur versuchsweise ihren Zusammenhang zu
berücksichtigen oder ihrer wirklichen Bedeutung nachzuspüren, ist die Zeile aus »Recessional« : »Niedere Brut ohne Gesetz. «
Diese Zeile eignet sich immer vorzüglich für ein hämisches Lächeln in homosexuellen Links-Kreisen. Dabei nimmt man als
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