Im Innern des Wals
ausgeübt. Da waren, um damit anzufangen, die bestellten Gelegenheitsarbeiten, die ich rasch, leicht und ohne große Befriedigung für mich selbst produzierte.
Neben den Schularbeiten schrieb ich vers d'occasion, halb komische Gedichte, die ich mit einer, wie mir heute scheint, erstaunlichen Schnelligkeit hervorbrachte. Ich schrieb mit vierzehn in etwa einer Woche ein ganzes Theaterstück in
Versen, in Anlehnung an Aristophanes, und war an der
Herausgabe von Schülerzeitungen beteiligt, die teils gedruckt, teils als Manuskript erschienen. Diese Schülerzeitungen waren das Kläglichste und Komischste, was man sich vorstellen kann, und ich gab mir dabei weniger Mühe, als ich heute an die
billigste journalistische Arbeit wenden würde. Aber gleichzeitig mit all dem führte ich fünfzehn Jahre oder länger eine
literarische Vorübung ganz anderer Art durch: es war eine
Konzeption einer fortlaufenden »Geschichte« über mich selbst, eine Art Tagebuch, das nur in meinem Kopf existierte. Ich
glaube übrigens, daß es sich dabei um etwas handelt, was
Kindern und Jugendlichen gemeinsam ist. Als ganz kleines Kind stellte ich mir schon vor, ich sei zum Beispiel Robin Hood, und ich sah mich als Helden erregender Abenteuer, aber bald drehte sich meine »Geschichte« nicht mehr ausschließlich in einer, grob gesagt, narzißtischen Weise um mich, sondern schilderte mehr und mehr all das, was ich tat und in meiner Umwelt sah.
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Minutenlang gingen mir Sätze wie diese durch den Kopf: »Er stieß die Tür auf und betrat den Raum. Ein gelber Sonnenstrahl drang durch die Musselin- Vorhänge und fiel schräg auf den Tisch, wo eine halboffene Streichholzschachtel neben dem
Tintenfaß lag. Die rechte Hand in der Tasche, durchquerte er den Raum bis zum Fenster. Unten auf der Straße haschte eine Schildpatt-Katze nach einem welken Blatt...« etc. etc. Diese Gewohnheit hielt etwa bis zu meinem fünfundzwanzigsten
Lebensjahr an, also meine ganzen nichtliterarischen Jahre
hindurch. Obwohl ich nach den richtigen Ausdrücken suchen
mußte und auch suchte, unterzog ich mich der Mühe, alles
genau zu schildern, fast gegen meinen Willen, wie unter einer Art von äußerem Zwang. In meiner »Geschichte« muß sich, wie ich annehme, der Stil der verschiedenen Autoren
widergespiegelt haben, die ich je nach meinem Alter
bewunderte, aber soweit ich mich erinnere, behielt ich meine peinlich genaue Milieuschilderung immer bei.
Mit etwa sechzehn Jahren entdeckte ich plötzlich die Freude am bloßen Wort, das heißt am Wortklang und der Assoziation von Worten. Die Zeilen in Paradise Lost:
So hee with difficulty and labour hard Moved on: with
difficulty and labour hee
[Mühselig und mit Arbeit hart, bewegte er sich fort: Mühselig und mit Arbeit hart], die mir heute nicht mehr ganz so
hinreißend erscheinen, jagten mir einen Schauer nach dem
ändern über den Rücken, wobei die Schreibweise von »hee«
statt »he« mich noch zusätzlich entzückte. Die Technik, etwas zu beschreiben, war mir hinlänglich vertraut. Es liegt also auf der Hand, welche Art von Büchern ich schreiben wollte, soweit man davon sprechen kann, daß ich zu jener Zeit überhaupt
Bücher schreiben wollte. Ich wollte große naturalistische
Romane mit einem unglücklichen Ausgang machen, voll
minuziöser Beschreibungen und überraschender Vergleiche und ebenso reich an gedrechselten Passagen, in denen Worte
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hauptsächlich ihres Klanges wegen verwendet wurden.
Tatsächlich kam mein erstes abgeschlossenes Buch Tage in Burma, das ich im Alter von dreißig Jahren schrieb, aber schon lange vorher mit mir herumgetragen hatte, dieser Art von
Büchern ziemlich nah.
Ich schildere meinen Werdegang deshalb so eingehend, weil
ich glaube, daß man die Motive eines Schriftstellers besser versteht, wenn man etwas über die Anfänge seiner Entwicklung weiß. Seine Stoffwahl ist durch die Epoche bestimmt, in der er lebt - zumindest gilt dies für eine so aufgewühlte, revolutionäre Zeit wie die unsere -, bevor er jedoch überhaupt zu schreiben beginnt, wird er bereits eine emotionale Haltung haben, von der er sich nie ganz freimachen wird. Es gehört zweifelsohne zu seinem Beruf, sein Temperament zu disziplinieren und zu
vermeiden, in einer Phase der Unreife oder Un-Natur
steckenzubleiben. Löst er sich aber völlig von den Einflüssen seiner Freizeit, tötet er damit den Impuls seines Schaffens überhaupt. Abgesehen von der Notwendigkeit, Geld zu
verdienen,
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