Im Innern des Wals
Sittlichkeitsbehörde mich bisher daran gehindert haben. Aber es würde mich
überraschen, wenn es irgendwie an Wendekreis des Krebses herankäme oder an die ersten Kapitel von Schwarzer Frühling.
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Wie gewissen anderen autobiographischen Erzählern war es ihm gegeben, ein vollkommenes Werk zu schaffen, und das hat er getan. Wenn man sich die Erzählliteratur der dreißiger Jahre ansieht, so ist das schon etwas.
Millers Bücher werden von der Obelisk Press in Paris verlegt.
Was wird aus der Obelisk Press jetzt, wo der Krieg ausgebrochen und Jack Kahane, der Verleger, gestorben ist? Ich weiß es nicht, jedenfalls sind die Bücher heute noch greifbar.
Ich rate daher jedem, der es noch nicht getan hat, wenigstens den Wendekreis des Krebses zu lesen. Wenn man es schlau anstellt oder etwas mehr als den angegebenen Preis zahlt,
bekommt man noch ein Exemplar. Und selbst wenn einzelne
Stellen einen anwidern, es bleibt einem im Gedächtnis haften.
Es ist ein »bedeutendes« Buch, wenn auch nicht ganz in dem Sinne, in dem das Wort allgemein angewendet wird.
Gewöhnlich werden die wenigen Romane als »bedeutend«
bezeichnet, die entweder eine »schwere Ank lage« gegen irgend etwas erheben oder vom Technischen her etwas Neues bringen.
Weder das eine noch das andere trifft auf Wendekreis des Krebses zu. Seine Bedeutung ist lediglich symptomatisch.
Meiner Meinung nach haben wir es hier mit dem einzigen
wertvollen Erzähler zu tun, der in den letzten Jahren in der englischsprechenden Welt erschienen ist. Und selbst wenn man dieses Urteil als starke Überschätzung ablehnen sollte, wird man wohl zugeben müssen, daß Miller ein Schriftsteller ist, der aus dem gewöhnlichen Rahmen fällt und mehr als nur einen
flüchtigen Blick verdient. Und schließlich ist er vollkommen negativ, amoralisch und nicht konstruktiv, ein bloßer Jonas, der das Böse passiv hinnimmt, eine Art Whitman unter Leichen.
Diese Symptome besagen mehr als die Tatsache, daß in England jedes Jahr 5000 Romane herauskommen, von denen 4900 Mist
sind. Sie sind ein Beweis für die Unmöglichkeit, bedeutende Literatur zu schaffen, solange sich die Welt nicht selbst zu ihrer neuen Gestalt durchgeschüttelt haben wird.
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Erschienen 1940
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Mark Twain - Der amtliche Hofnarr
Mark Twain hat die mächtigen Tore der Everyman's Library durchbrochen, wenn auch nur mit Tom Sawyer und Huckleberry Finn, beide schon weitgehend als »Kinderbücher« bekannt (was sie nicht sind). Aber seine besten und für ihn
charakteristischsten Bücher: Roughing It, The Innocents Abroad, und selbst Life on the Mississippi, ( Durch Dick und Dünn, ersch.
1872; Die Arglosen im Ausland, ersch. 1869; Leben auf dem Mississippi, ersch. 1883.) sind in England so gut wie in Vergessenheit geraten, während sie in Amerika zweifellos durch den Patriotismus, der ja überall mit literarischer Wertung Hand in Hand geht, lebendig erhalten werden.
Obwohl Mark Twain eine erstaunliche Fülle
verschiedenartiger Bücher geschrieben hat, die von einer
süßlichen »Biographie« der Jungfrau von Orleans bis zu einem Pamphlet reichen, das so unanständig war, daß es nie
veröffentlicht wurde, drehen sich seine besten Arbeiten um den Mississippi und die rauhen Goldgräberstädte des Westens. 1835
geboren (er stammte aus einer Familie im Süden, die gerade reich genug war, um sich einen oder vielleicht sogar zwei
Sklaven zu halten), fielen seine Jugend- und frühen Mannesjahre mit den Goldenen Zeiten Amerikas zusammen, der Zeit, in der die größten Gebiete erschlossen und Reichtum und die
Möglichkeit, reich zu werden, keine Grenzen zu kennen
schienen und in denen die Menschen sich nicht nur frei fühlten, sondern es auch wirklich waren. Sie waren so frei wie nie zuvor und wie sie es vermutlich auf Jahrhunderte hinaus nicht wieder sein werden. Life on the Mississippi und die beiden andern von mir erwähnten Bücher sind ein Sammelsurium von Anekdoten
und beschreibenden Erzählungen, vermischt mit Sozialem und Geschichtlichem, gleichzeitig ernst und burlesk. Aber alle haben ein zentrales Thema, das man wohl am besten in folgende Worte kleiden kann: »So verhalten sich menschliche Wesen, wenn sie
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sich nicht vor der Entlassung fürchten müssen.« Als er diese Bücher schrieb, hatte Mark Twain keineswegs die Absicht,
Hymnen auf die Freiheit anzustimmen. In erster Linie
interessierten ihn »Charaktere« in jener phantastischen,
geradezu irrsinnigen Vielfalt, wie
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