Im Innern des Wals
Fuß sieht und kaum zu atmen imstande ist. Sie bewegt sich langsam am Flöz entlang und legt einen Schnitt bis zu einer Tiefe von fünfeinhalb Fuß, worauf es verhältnismäßig einfach ist, die Kohle bis zur gleichen Tiefe herauszulösen. Wo es Schwierigkeiten gibt, muß man die Kohle mit Hilfe von Sprengstoff lockern. Ein Mann mit einem elektrischen Bohrer – ähnlich wie die bei Straßenarbeiten verwendeten Schlagbohrer, nur kleiner – legt in Abständen Löcher in der Kohle an, die er mit Sprengpulver füllt und mit Lehm verschließt, worauf er hinter einer Ecke Deckung sucht, wenn eine vorhanden ist (nach Vorschrift soll er sich wenigstens bis auf fünfundzwanzig Yards von den Sprenglöchern zurückziehen), und die Ladung elektrisch zündet. Dadurch soll die Kohle nicht herausgesprengt, sondern nur gelockert werden. Manchmal ist die Ladung so stark, daß nicht nur die Kohle herausgeschleudert wird, sondern die ganze Decke einstürzt.
Nach der Sprengung können die »Schaufler« die Kohle herausbrechen, zerkleinern und auf das Fließband schaufeln. Sie fällt zuerst in ungeheuren Brocken an, die ein Gewicht bis zu 2000kg haben mögen. Das Fließband befördert sie zu den eisernen Tonnen, die ihrerseits bis zum Hauptstollen geschoben werden, wo man sie an ein ständig rotierendes Stahlkabel hängt, das sie zum Aufzug schleppt, der sie nach oben befördert. An der Oberfläche wird die Kohle über Roste geleitet, die sie sortieren, und notfalls gewaschen. Soweit wie möglich wird der »Dreck«, das heißt der Gesteinsschutt, zur Schotterung des Stollenbodens unter Tage verwendet. Was man unten nicht gebrauchen kann, wird nach oben geschickt und dort aufgehäuft. Daher die ungeheuren Dreckhalden, jene häßlichen grauen Gebirge, die der Landschaft der Kohlenreviere ihr besonderes Gepräge geben. Ist die Kohle bis zu der Tiefe abgeräumt, bis zu der die Maschine gekommen ist, liegt das Vorkommen fünf Fuß weiter weg. Neue Stempelhölzer müssen eingezogen werden, um die neuentstandene Decke abzustützen, und in der nächsten Schicht wird das Fließband abmontiert, fünf Fuß an die Kohle herangerückt und zusammengesetzt. Soweit wie möglich werden die drei Arbeitsvorgänge, das Sägen, Sprengen und Abräumen, in drei verschiedenen Schichten vorgenommen, das Schneiden am Nachmittag, das Sprengen bei Nacht (es gibt ein Gesetz, welches die Sprengungen verbietet, solange in der Nähe gearbeitet wird, aber es wird nicht immer befolgt) und das Abräumen in der Morgenschicht, die von sechs bis halb zwei dauert.
Selbst wenn man den Vorgang der Kohlegewinnung beobachtet, wird dies vermutlich nur für kurze Zeit sein. Erst nach einigen Berechnungen beginnt man zu begreifen, was für eine erstaunliche Leistung die »Schaufler« vollbringen. Normalerweise muß jeder Mann eine vier bis fünf Yards große Fläche räumen. Die Säge hat die Kohle bis zu fünf Fuß von ihrem Sockel gelöst. Hat das Flöz eine Mächtigkeit von drei oder vier Fuß, dann muß jeder Mann sieben bis zwölf Kubikyards Kohle herausbrechen, zerkleinern und auf das Fließband befördern. Rechnet man das Gewicht eines Kubikyards mit, sagen wir, siebenundzwanzig Zentner, so ergibt sich, daß ein Mann pro Stunde annähernd 2000kg Kohle abräumt. Mit Hacke und Schaufel habe ich genügend Erfahrung, um zu wissen, was das bedeutet. Wenn ich zum Beispiel bei der Gartenarbeit an einem Nachmittag 2000kg Erde bewege, dann fühle ich, daß ich mir meinen Tee verdient habe. Aber Erde ist im Vergleich zu Kohle ein hantierbares Material, und ich brauche nicht kniend zu arbeiten, tausend Fuß unter der Oberfläche, in einer stickigen Hitze, und mit jedem Atemzug Kohlenstaub zu schlucken. Ich brauche auch nicht tiefgebückt eine Meile zu laufen, bevor ich mit der Arbeit anfangen kann. Die Arbeit eines Bergmanns würde meine Kräfte nicht weniger übersteigen, als etwa an einem fliegenden Trapez herumzuturnen oder das Grand National zu gewinnen. Ich bin kein Muskelarbeiter und Gott möge verhüten, daß ich je einer sein muß, aber eine Reihe von manuellen Arbeiten gibt es schon, die ich in der Not tun könnte. Im schlimmsten Fall könnte ich einen passablen Straßenkehrer abgeben oder einen stümperhaften Gärtner, eventuell einen zehntklassigen Landarbeiter auf einem Bauerngut. Aber keine erdenkliche Mühe und kein Training würde aus mir einen Bergmann machen. Die Arbeit würde mich in ein paar Wochen umbringen.
Wenn man Bergleuten bei der Arbeit zusieht, wird einem
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