Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Innern des Wals

Im Innern des Wals

Titel: Im Innern des Wals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orwell George
Vom Netzwerk:
Drei an jedem Bein. Wir redeten ihm gut zu: ›Alter Freund, denk doch an die viele Mühe und die Umstände, die du uns machst‹, sagten wir zu ihm. Aber er wollte nicht hören. Ach, es war schrecklich mühsam!«
    Ich merkte, daß ich lachte. Alle lachten. Selbst der Direktor grinste nachsichtig. »Es wäre gut«, sagte er ganz jovial, »wenn wir alle hinausgingen zu einem Drink. Ich habe eine Flasche Whisky in meinem Wagen, die könnten wir leermachen.«
    Wir verließen das Gefängnis durch das schwere Tor mit dem Doppelgitter und traten auf die Straße. »Einen an den Beinen zu ziehen …«, prustete ein burmesischer Gerichtsbeamter plötzlich los und verfiel in ein lautes Glucksen. Auch wir andern begannen wieder zu lachen. In diesem Moment schien uns Francis’ Anekdote ausgesprochen lustig. Wir nahmen einen Drink zusammen, Eingeborene und Europäer, in aller Freundschaft. Der Tote war hundert Yards weit weg.
    Adelfbi , August 1931

Einen Elefanten erschießen
    In Moulmein (Nieder-Burma) verfolgte mich fast die gesamte Bevölkerung mit ihrem Haß, etwas, wofür ich nur dies eine Mal im Leben genügend Bedeutung besessen habe. Ich bekleidete damals die Stellung eines Polizeioffiziers in einem der Stadtbezirke, und in seiner ziellosen, engstirnigen Art war dieser Haß gegen die Europäer auf die Dauer schwer erträglich. Den Mut, sich offen aufzulehnen, hatte keiner, aber wenn eine Europäerin allein über den Basar ging, konnte man sicher sein, daß irgend jemand ihr seinen Betelsaft aufs Kleid spuckte. Als Polizeioffizier war ich natürlich ein besonders lohnendes Objekt. Bei jeder Gelegenheit wurde ich angepöbelt, wenn keine Gefahr damit verbunden war. Stellte mir zum Beispiel einer der kleinen, behenden Burmesen auf dem Fußballplatz ein Bein, während der Schiedsrichter (gleichfalls ein Burmese) zufällig gerade in die entgegengesetzte Richtung sah, brach die Menge vor Vergnügen in ein widerlich johlendes Gelächter aus. Dergleichen ereignete sich in einem fort. Am Ende gingen mir die grinsenden gelben Fratzen der Halbwüchsigen und die Schimpfworte, die sie mir aus sicherer Entfernung nachriefen, furchtbar auf die Nerven. Am schlimmsten waren die jungen Buddhistenpriester, von denen es einige Tausend in der Stadt gab, und keiner von ihnen schien etwas anderes zu tun zu haben, als an den Straßenecken zu stehen und hinter jedem Europäer herzufeixen.
    Das Ganze war unangenehm und entnervend. Zu jener Zeit war ich mir bereits im klaren darüber, was für eine schmutzige Sache der Imperialismus ist und daß es für mich das Beste wäre, so schnell wie möglich den Dienst zu quittieren und meine Koffer zu packen. Theoretisch – und im geheimen, natürlich stand ich auf Seiten der Burmesen und war in jeder Hinsicht gegen ihre Unterdrücker, die Engländer. Meinen Dienst haßte ich mehr, als ich zu sagen vermag. In einer solchen Stellung lernt man die häßliche Kehrseite des Empire aus nächster Nähe kennen. Das Elend der Gefangenen, die in stinkenden Käfigen zusammengepfercht hocken, die grauen, ausgemergelten Gesichter der zu langen Freiheitsstrafen Verurteilten, die blutunterlaufenen Hintern derer, die mit Bambusstöcken gezüchtigt worden waren – das alles belastete mich mit einem unerträglichen Gefühl von Mitleid. Ich konnte zu nichts in ein richtiges Verhältnis kommen. Ich war jung, hatte keine gute Erziehung genossen und mußte mit allen meinen Problemen allein fertig werden, gebunden an die Schweigepflicht, die jedem Engländer im Osten auferlegt ist. Ich wußte nicht einmal, daß das britische Imperium bereits in Auflösung begriffen war, und noch weniger, daß es um vieles besser war als die neuen Staatsgebilde, die nach ihm kamen. Das einzige, was ich wußte, war, daß ich hin- und hergerissen wurde zwischen dem Haß auf das Empire, dem ich diente, und dem Haß auf das bösartige kleine Gesindel, das sich alle Mühe gab, mir meine Aufgabe unmöglich zu machen. Einerseits erschien mir die Tyrannei der englischen Radschahs als ein nicht abzuschüttelndes Joch, das den unterworfenen Völkern in saecula saeculorum auferlegt war, andrerseits hätte es für mich nichts Schöneres geben können, als einem Buddhistenpriester ein Bajonett in den Bauch zu rennen. Solche Gefühle sind normale Nebenerscheinungen des Imperialismus. Man braucht nur irgendeinen angloindischen Beamten zu fragen, wenn man außerhalb seines Dienstes unter vier Augen mit ihm reden kann.
    Eines Tages ereignete sich ein Vorfall,

Weitere Kostenlose Bücher