Im Interesse der Nation
vergehen, bevor die Beamten des Morddezernats nach Hinweisen dieser Art suchen würden. Als er um die Ecke bog, blickte er zum Straßenschild hinauf, obwohl er sehr gut wußte, daß er von der Garvaregatan in die Sandgatan einbog. Kein Mensch war zu sehen, und auf der anderen Seite leuchtete ein einziges Schild - Schwedischer Gewerkschaftsbund, Bezirk Östergötland.
Er ging langsam die Straße hinunter in Richtung Brücke und las an dem hohen Rathausturm die Uhrzeit ab. Es war halb zwei Uhr nachts.
Er blieb kurz vor der Brücke stehen und blickte zu dem Fuß und Radweg hinunter, der am Ufer entlang und unter der Brücke hindurchführte. Noch immer kein Mensch in der Nähe. An einer Hauswand entdeckte der Täter ein Messingschild mit schwarzem Text. Es verriet, daß Norrköpings Baumwollweberei von 1853-1964 hier Fabrik und Verwaltung gehabt hatte. Das Werk war 1964 stillgelegt worden. 1969 hatte man die Fabrikhallen abgerissen. Warenzeichen des Unternehmens war ein Hahn gewesen.
Damals war dies ein Arbeiterviertel. Jetzt lagen einige der teuersten Wohnungen der Stadt hier, und eine davon hatte er gerade verlassen.
Wenn er sich entschloß, sich nicht erwischen zu lassen, würde ihm das auch gelingen. In seinem Beruf geriet man nicht so leicht in Mordverdacht. Aber die Entscheidung konnte warten, bis er Zeit gefunden hatte, die Angelegenheit zu durchdenken. Bis auf weiteres handelte er nur methodisch und mechanisch wie ein Polizist. Ohne seine Mitwirkung würden sie ihn nie festnageln können. Die Entscheidung lag völlig in seiner Hand.
So dachte er. Dann hörte er auf zu denken und schlenderte langsam über die Brücke. Die schwarze Wasserfläche war spiegelglatt und völlig leer, und am fünften Weidenbaum ein Stück weiter ragte ein Bootssteg ins Wasser. Noch immer kein Mensch zu sehen.
Er hatte nur noch fünfundsiebzig Meter bis zu seinem Parkplatz. Er war nach 18 Uhr gekommen, als das Parken kostenlos war, so daß seine Anwesenheit nicht einmal von dem Parkautomaten registriert worden war.
In dem Moment, in dem er am Lenkrad saß, den Zündschlüssel drehte und den Defroster einschaltete, wurde über die künftige Mordermittlung entschieden. Jedoch nicht hier, sondern an einem ganz anderen Ort, in einem anderen Land, in einem anderen Teil der Welt.
Und da es somit im Interesse der Nation liegen würde, daß die Ermittlungen im Fall Maria Szepelinska-Adamsson nicht zu Ende geführt wurden, würde man sie auch nicht zu Ende führen.
Doch das hatte sehr wenig mit der kriminalistischen Erfahrung des Mörders zu tun, auch nicht mit seinem Geschick, falsche Fährten zu legen.
Die schwedische Botschaft in Kairo ist zwar ein relativ neuer Bau in hellgelbem Klinker, doch wenn man von den drei großen, verrußten Kronen an der Außenwand absieht, erinnert das Gebäude eher an eine arabische Festung des Mittelalters oder an eine Burg aus der Zeit der Kreuzfahrer. In diplomatischen Kreisen Kairos ist dieser festungsähnliche Botschaftsbau ein ständiger Anlaß zu Scherzen; die Pointen leben meist davon, daß gerade die schwedische Botschaft kaum je von schiitischen Fanatikern gestürmt oder angegriffen werden dürfte. In der Politik des Nahen Ostens spielt Schweden nur eine untergeordnete Rolle, und zudem hat das Land kaum Feinde, die diese Bezeichnung verdienen. Und dennoch dieser Botschaftsbau, der den Eindruck erweckt, als wäre er uneinnehmbar.
Der Schein trügt jedoch. Nur von der Straße aus erweckt die Botschaft den Eindruck einer Festung: durch das schwarze, schmiedeeiserne Tor, das Schilderhäuschen und die kleinen, wie Schießscharten wirkenden Fenster, hinter denen man Armbrustschützen des Mittelalters auf der Lauer zu liegen glaubt.
Die Straße heißt Muhammed Mahzar und liegt auf der Ostseite der Insel Gezira. Die Insel wird auf beiden Seiten vom Nil umschlossen und hat die gleiche soziale Bedeutung wie etwa Djurgården in Stockholm; es ist eine Oase inmitten der Großstadt mit Parks und Sportklubs. Am bekanntesten ist der Gezira Sporting Club. Dort Mitglied zu werden ist schwieriger, als mit dem Order of the British Empire ausgezeichnet zu werden. Und natürlich ist der Stadtteil Zamalek auf Gezira die Adresse, die man haben sollte, wenn man sich der ersten Gesellschaft Kairos zurechnen will.
Die Lage der schwedischen Botschaft ist also allein schon durch die Adresse in Zamalek ausgezeichnet. Überdies ist die Straße Muhammed Mahzar die letzte richtige Straße am Ostufer der Insel. Das
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