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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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war, war es am besten, das Problem in aller Ruhe zu lösen.
    »Wodka ist ausgezeichnet. Bitte kein Wasser und kein Eis«, erwiderte der andere, ohne sich zu bewegen.
    »Na bitte. Dann setzen Sie sich doch erst mal«, sagte der Botschafter und drehte sich zu seiner Hausbar um. Er holte eine Flasche russischen Wodka hervor und goß ein Wasserglas voll ein, da er die Nationalität seines unbekannten Gastes schon erraten hatte.
    Dennoch fiel es ihm schwer, sein Erstaunen zu verbergen, als er mit den Gläsern in der Hand zu seinem Arbeitsplatz zurückkehrte. Der andere hatte den lehmverschmierten Mantel ausgezogen und sich auf einen Stuhl direkt vor dem Schreibtisch gesetzt. Der Botschafter war zwar kein Uniform-Experte, aber zwei Dinge offenbarten sich ihm sofort. Der Mann trug die Uniform der sowjetischen Marine und mußte ein sehr hoher Offizier sein. Auf der linken Brustseite der Uniformjacke waren Auszeichnungen in verschiedenen Farben befestigt, die eine Fläche von fast hundert Quadratzentimetern bedeckten.
    »Bitte sehr, skål, und seien Sie willkommen. So heißt das in unserem Land«, sagte der Botschafter und reichte dem Fremden das Wodkaglas, während er sich setzte. Die beiden sahen sich in die Augen und tranken.
    »Ich bin Vizeadmiral Gennadij Alexandrowitsch Koskow und hergekommen, um in Ihrem Land um politisches Asyl nachzusuchen«, sagte der Russe ohne Umschweife und stellte sein geleertes Wodkaglas vor seinem sprachlosen Gastgeber mit einem Knall auf den Tisch.
    Der Botschafter ertappte sich dabei, daß er mit offenem Mund dasaß und vor sich hin starrte. Er erhob sich ohne ein Wort, nahm das Glas des Russen, wanderte zur Hausbar, füllte es von neuem und brachte es seinem ungebetenen Gast zurück. Es war eine dieser Situationen im Leben, die man hinterher mit Worten wie »tausend Dinge schossen mir durch den Kopf« zu beschreiben pflegt.
    »Ich muß Ihnen natürlich eine Reihe von Fragen stellen, Herr Vizeadmiral. Lassen Sie mich gleich darauf hinweisen, daß Sie sich zwar auf schwedischem Territorium befinden, doch das bedeutet für Sie keinerlei Garantie. Ich habe das uneingeschränkte Recht, Sie aus dem Haus zu weisen und den ägyptischen Behörden zu übergeben. Ich wünsche, daß Sie sich dessen bewußt sind, bevor ich mir Ihre Gründe anhöre. Ich möchte auch betonen, daß mir sowohl Zeitpunkt als auch Ort für einen solchen Schritt schlecht gewählt zu sein scheinen.«
    Er machte eine Pause, um die Wirkung seiner Worte zu beurteilen. Doch der Vizeadmiral lächelte nur, durch die versteckte Drohung anscheinend unberührt, und wartete offenbar darauf, daß der Botschafter seinen Gedankengang zu Ende brachte.
    »Na also«, fuhr der Botschafter fort, »weshalb hier und jetzt, und was bringt Sie zu der Annahme, wir würden Ihrem Antrag entsprechen?«
    Der Vizeadmiral gab ein kurzes und konzentriertes Bild der Lage. Als ein Teil des Bemühens, die Beziehungen der Sowjetunion zu Ägypten zu verbessern, finde im Augenblick ein Flottenbesuch in Alexandria statt. Er, Koskow, habe sich vor zehn Stunden abgesetzt. Er habe sich einfach ein Taxi genommen und sei die zweihundert Kilometer nach Kairo gefahren. Der Taxifahrer habe sich angesichts einer Anzahl amerikanischer Geldscheine sehr entgegenkommend gezeigt. Unter anderem habe er den zivilen Mantel besorgt und sei dann ein paar Stunden in Kairo an verschiedenen Botschaftsgebäuden vorbeigefahren, bis es dunkel wurde. Dann hätten sie sich vor der amerikanischen Botschaft getrennt. Der Taxifahrer sollte glauben, daß er, Koskow, die amerikanische Botschaft aufsuchen wolle, denn es werde natürlich zu einigen Nachforschungen kommen, wenn sich herausstelle, daß einer der Befehlshaber der sowjetischen Marineeinheit vermißt werde. Man könne ja die Möglichkeit nicht ausschließen, daß die Behörden des Taxifahrers habhaft würden und aus dessen Angaben den naheliegenden Schluß zögen, daß sich der verschwundene Vizeadmiral bei den Amerikanern aufhalte.
    Der Vizeadmiral machte eine Pause und fuhr fort: »Im Augenblick weiß in Kairo außer uns beiden also niemand, was geschehen ist. Wenn die schwedischen Behörden sich dafür entscheiden, mein Asylgesuch abzulehnen und mich an die ägyptischen Behörden auszuliefern, wären die Folgen für mich Rücktransport in die Sowjetunion und vermutlich die Todesstrafe, doch ich sage das nur für den Fall, daß dieser Umstand für die Entscheidung Schwedens von Bedeutung sein sollte.« Ein feines Lächeln umspielte

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