Im Keller
sprang auf und lief aus dem Zimmer. Vermutlich verschwand sie im Bad, denn kurz darauf hörte Arthur, wie sie sich übergab.
Simone Kamp zog kräftig an ihrer Zigarette und nahm das Foto in die andere Hand. Eine blonde, sehr groß gelockte Haarsträhne fiel über ihre Schulter nach vorne. Kamp studierte das Foto ebenfalls ausgiebig (während Arthur seinen Kaffee trank) und ließ schließlich verlauten: „Ja, das müsste er sein.“
„Kannten Sie ihn näher?“
„Nein, ich bin ihm nur ein paar Mal bei Uschi begegnet.“
„Gut ... wir machen natürlich zusätzlich einen DNA-Test.“
„Ich verstehe nicht, wieso Sie die Leiche im Haus der Mutter gefunden haben. Ich dachte immer, die Frau wusste nicht, wo ihr Sohn ist.“
„Auch das werden wir noch klären, Frau Kamp.“ Arthur stand auf. „Vielleicht fallen I hnen noch mehr Namen ein, wenn Sie sich mit Ihrer Freundin ein paar Fotos von früher angucken. Würden Sie das für mich tun?“
Simone Kamp erhob sich ebenfalls, begleitete Arthur zur Tür und lächelte ihm zum Abschied lasziv zu.
Ein paar Minuten später saß er in seinem Wagen und überlegte, was jetzt zu tun war: an einem anderen Mordfall weiterarbeiten, für den er auch zuständig war, Martin Dornsiefer aufsuchen und befragen, oder Claudia Schmitz, die nette Nichte, anrufen und ein Rendezvous mit ihr vereinbaren?
Natürlich entschied er sich für Letzteres, aber er konnte Schmitz nicht erreichen. Und so fuhr er zurück ins Präsidium und machte sich auf die Suche nach den Akten, die sich mit dem u ngelösten, 24 Jahre alten Fall aus einer finsteren, computerlosen Zeit befassten. Dieses In-den-Akten-Wühlen gehörte nicht gerade zu seinen Lieblingsbeschäftigungen, und so ließ er sich Zeit.
Schließlich fand er den Vorgang ,Clemens Kirchfeld‘ und nahm ihn mit ins Büro. Bei den Akten lagen auch ein paar Fotos, ebenfalls 24 Jahre alt, mit Wesen darauf wie aus einer anderen Dimension: alle sehr dünn, alle mit wilden Frisuren und antiker Kleidung.
Ein Foto zum Beispiel zeigte Uschi in enger Jeans und mit Wuschelmähne, Clemens in weit ausgestellter, buntgemusterter Hose und mit überschulterlangen, offenen Haaren, Mittelsche itel, dazu der passende Schnäuzer. Uschis zartes, blasses, unsicher lächelndes Gesichtchen mit den fast grünen Augen wirkte geradezu unschuldig neben Clemens´ gebräuntem, markantem, dunkeläugigem Gesicht, das mit breitem Siegerlächeln in die Kamera strahlte.
Eigentlich ein hübsches Paar. Was ging da schief? Vielleicht verriet es das extrem enge, hellblaue Hemd, das Clemens trug und dessen oberste drei Knöpfe offen waren - sah er nicht aus wie der berechnende, charmante Verführer, der sich gerne mehrere Frauen gleichze itig hielt?
Arthur las sich in die Akten ein und erfuhr, dass Clemens Kirchfeld nach dem Tod seines V aters die Firma geerbt, sie aber sehr schnell weiterverkauft hatte, an eben jenen Martin Dornsiefer, den die Kamp schon erwähnt hatte.
Mit dem Geld hatte Kirchfeld das Fachwerkhaus für seine Mutter und ein Zweifamilienhaus für sich selbst gekauft, in dem er nach seiner Hochzeit mit Uschi im oberen Stock gewohnt hatte. Den Rest des Geldes hatte er schnell durchgebracht, und von da an ging es wohl nur noch bergab.
Arthur blätterte weiter vor und entdeckte eine Liste mit vier Hauptverdächtigen:
1. Ganz oben stand, wie üblich, Ehefrau Ursula Kirchfeld, jetzige Gerber, die sich laut Zeugenaussagen oft mit ihrem Clemens gestritten hatte.
2. Dann gab es da noch Heribert Hovenbitzer, der zu jener Zeit im Mietshaus von Kirchfeld unter ihm gewohnt hatte. Die beiden hatten ständige Auseinandersetzungen wegen Ruhestörung, Beleidigungen und dem Vorwurf Hovenbitzers, Kirchfeld habe seine Frau belästigt. Es kam mehrfach zu Handgreiflichkeiten. Kurz vor seinem Verschwinden hatte Kirchfeld seinem Mieter Hovenbitzer die Wohnung gekündigt.
3. Der nächste Verdächtige war Martin Dornsiefer, der Kirchfeld die Baustofffirma abgekauft hatte. Die Firma lief so gut, dass Dornsiefer Kirchfeld schon bald 20.000 DM leihen konnte, die dieser von ihm erbeten hatte. Als aber Dornsiefer herausfand, dass Kirchfeld eine Affäre mit seiner Frau Marita hatte, wollte er das Geld sofort zurück haben. Natürlich war das Geld längst weg, und es kam zu dem großen Streit, von dem Uschi Gerber gesprochen hatte.
4. Der letzte Kandidat auf der Liste war Paul Linden, ein Kommilitone, der zusammen mit
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