Im Keller
ebenfalls ein Bier, und dann wurde gespielt. Aber es war definitiv nicht sein Abend - erst verlor er einen Null-Ouvert, dann ein sicheres Kreuzspiel. Seine Stimmung sank stündlich.
*
Heribert saß auf dem Sofa, guckte sich einen Krimi an und kippte ein Bierchen nach dem anderen. Immerhin verkniff er sich die Chips, nachdem sein Arzt zum wiederholten Mal mit ihm geschimpft hatte. Vielleicht sollte er einfach den Arzt wechseln.
Gerade, als es im Krimi besonders spannend wurde, begann draußen im Garten nebenan hy sterisch wie immer der mickrige Köter von Müllers loszukläffen. Der Hund hörte das Gras wachsen und die Flöhe husten und bellte immer gleich drauflos. Das nervte!
Trotzdem hatte Heribert schon da rüber nachgedacht, sich auch einen Hund zuzulegen. Denn er fühlte sich, das gestand er sich manchmal ein, ganz schön allein. Mit so einem Hund musste man außerdem spazieren gehen, und das war gut für die Gesundheit. Man konnte dabei sogar (hatte er im Fernsehen gesehen) Frauen kennen lernen. Andererseits, wenn es ein großer Hund war, konnte das ins Geld gehen, denn so einer verputzte vermutlich mehr als Heribert selbst.
Da der Krimi gerade in die Werbepause ging, hatte Heriberts Hirn Zeit für einen kurzen A bstecher in die Kindheit. Schon als Kind hatte er sich dringend einen Hund gewünscht, und er sah noch die gefurchte Stirn seines Vaters vor sich, des strengen Pfennigfuchsers, der sagte: ,Berti, das geht nicht, so ein Vieh frisst einem die Haare vom Kopf‘, woraufhin die liebe, dicke Mutter, die von morgens bis abends in der Küche herumwirtschaftete und immer dunkle Schatten unter den Augen hatte, antwortete: ,Ach Unsinn, wo sechs Kinder satt werden, wird auch ein Hund satt!‘ Es wurde trotzdem kein Hund angeschafft.
Heribert kehrte in die Gegenwart zurück und hörte den Köter von nebenan immer noch klä ffen. Beinah wäre er aufgestanden, um sich zu beschweren, aber dann brach der Lärm plötzlich ab, und Heribert entspannte sich und sah weiter fern. Gegen 23 Uhr gab es die nächste Werbeunterbrechung, die ihm nicht ungelegen kam. Er musste pinkeln.
Also wuchtete er seinen großen, übergewichtigen Körper vom Sofa hoch, schob sich um den Couchtisch, wobei er sich wieder das Scheinbein anstieß, watschelte in den Flur und von dort nach hi nten ins Bad. Er schaltete das Licht ein und ließ die Tür offen.
Ein kurzer Blick in den Spiegel: rotes Gesicht, Schweißperlen auf der Stirn, schwere Atmung. Die paar Meter vom Sofa zum Klo hatten ihn fertig gemacht! Der Doktor hatte gesagt, Her ibert solle Sport treiben - wie denn?! Jahrzehntelang war seine Arbeit sein Sport gewesen, Knochenarbeit. Deswegen war er auch seit vier Jahren in Rente.
Scheiß-Arbeit, Scheiß-Frührente! Und dann war ihm auch noch seine Marion mit dem and eren Kerl durchgebrannt! Für wen also sollte er sich dünn hungern?! Das Leben war doch sowieso ein einziger Beschiss!
Heribert stellte sich vors Klo, klappte die Brille hoch und wollte eben die ausgeleierte Jo gginghose nach unten schieben, als es links von ihm ans Badezimmerfenster klopfte. Er bekam fast einen Herzinfarkt.
Wer, um Himmelswillen, erschreckte ihn da so?! Er sah zum Fenster hin, aber seine Marion hatte die Scheibe mit gemusterter Folie beklebt, so dass man nicht hinein- und nicht hinauss ehen konnte. War das etwa Frau Müller, weil sich ihr blöder Köter zum hundersten Mal unter seinem Zaun durchgebuddelt hatte?! Oder die dumme Ziege vom anderen Nachbarhaus, weil ihr fetter Kater wieder unauffindbar war?!
Heribert hatte gerade beschlossen, einfach nicht zu reagieren, als es zum zweiten Mal klopfte. Bestimmt, aber doch eher leise. Das irritierte ihn, dieses Leise, beinah Heimliche ... das mac hte ihm sogar ein bisschen Angst.
Quatsch! Angst! Er war ein Koloss von einem Mann! Vor wem sollte er Angst haben?!
Mit der ihm neuerdings eigenen Behäbigkeit schlurfte er zum Fenster und zog es auf. Natürlich war es stockdunkel draußen, aber ein bisschen Licht fiel aus dem Bad zwei, drei Meter weit in die Nacht. Trotzdem sah er erst einmal niemanden, weil das Erdgeschoss im Hochparterre lag.
„Hallo, wer ist da?“ , fragte er halblaut. Keine Antwort.
Heribert stützte sich auf dem Fensterrahmen ab und beugte sich ein wenig vor. Aber er sah immer noch niemanden. Nur der riesige Nussbaum am Ende des Gartens war im
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