Im Kerker der schönen Justine
Notärztin es zum zweiten Mal versuchte.
Die Arme der Varela befanden sich plötzlich in einem Schraubstock, und eine Sekunde später wurde sie in die Höhe gestemmt und dann zur Seite geschleudert. Sie segelte quer durch das Haus. Wuchtig prallte sie gegen eine Wand. Etwas knackte. Sie schrie auf. Dann fiel sie zu Boden und blieb auf dem Bauch liegen.
Justine Cavallo schüttelte den Kopf und grinste dabei. Es war einfach nicht zu fassen. Wie konnte sich diese Person nur gegen sie stellen! Unglaublich war das.
Neben der Ärztin blieb sie stehen, während diese sich knurrend hochdrückte. »Du bist dumm, Justine. Du kannst dich nicht mit mir anlegen. Hat Mallmann dir nie etwas über mich erzählt?«
»Doch.«
Die Wiedergängerin lachte. »Dann hat er wohl die Hälfte davon vergessen, denk ich. Es ist einfach lächerlich, was du da versucht hast. Für mich ist es schon eine Beleidigung. So etwas kann ich einfach nicht hinnehmen. Aber irgendwo hat es auch seine positiven Seiten. Du willst so werden, wie ich bereits bin. Gut, sehr gut. Ich gebe dir die Chance. Keine Sorge, und letztendlich spielt es keine Rolle, wer nun dein Blut trinkt. Mallmann oder ich.«
Die Notärztin hatte genau verstanden, was man von ihr wollte. Sie wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Einige Male schüttelte sie den Kopf, dann sog sie die Luft ein, wobei sich dies nicht wie ein normales Atmen anhörte.
»Nein, nein... das kann ich nicht zulassen. Mein Blut gehört dem Meister. Er hat mich gemacht. Er will mich mit in seine Welt nehmen. Du gehörst nicht dazu, verflucht!«
»Ich gehörte mal dazu. Aber das ist lange her.« Die Cavallo schlug blitzschnell zu.
Die Notärztin hatte mit diesem Schlag nicht gerechnet. Sie wurde nach links gewuchtet und stolperte in die Nähe der Couch.
Genau das hatte die Cavallo gewollt. Die andere Justine sah sie auf sich zukommen. Nur den Stoß in den Rücken bekam sie mit, und der schleuderte sie vor und damit genau auf das Ziel zu, das sich die blonde Bestie ausgesucht hatte.
Die Varela kippte nach vorn. Die Arme hielt sie ausgestreckt, und so erwischten die Hände nicht den harten Boden, sondern die weiche Sitzfläche der Couch.
»Sehr gut!«, lobte die Cavallo lachend.
Sie schlug zu.
Justine Varela fiel bäuchlings auf die Sitzfläche und warf ihren Körper herum. Für einen Moment geriet sie in die Rückenlage und wollte daraus entfliehen und sich über den Rand zur Seite rollen, aber dagegen hatte Justine Cavallo etwas.
Sie ließ sich einfach fallen. Es sah so aus, als wollte sie auf dem Körper der anderen Person landen, aber Justine Varela beherrschte ihren Körper perfekt. Sie wirbelte herum, um mit den Knien neben der Couch aufzuprallen. Sofort sprang sie auf und...
Die Cavallo rammte ihr den Ballen der ausgestreckten Hand an die Stirn und schleuderte sie wieder zurück.
»Du bleibst liegen, Justine!«
Jetzt gehorchte die Varela. Sie hatte es einige Male versucht und erlebt, dass die andere Justine zu stark war. Deren Gesicht schwebte kurze Zeit später über dem ihren, und so sah die Notärztin aus nächster Nähe den perfekten Aufbau, der mit ihrem Gesicht letztendlich nicht zu vergleichen war, das einfach noch zu viele menschliche Merkmale in sich trug. Bei ihr, die sie noch ein Mensch war, gab es leichte Verunreinigungen der Haut. Auch kleine Falten fielen bei genauem Hinschauen auf, und auch die Lippen waren nicht so glatt wie geölt.
»Dein Blut hat Mallmann geschmeckt!«, flüsterte ihr die Cavallo ins Gesicht und fuhr mit leicht singender Stimme fort: »Es wird auch mir schmecken, das weiß ich.«
Die Varela schaffte ein Grinsen. »Du willst mein Blut?«
»Ja.«
»Aber es gehört...«
»Mir! Verstehst du? Es gehört von nun an mir und keiner anderen Person!«
Die Ärztin wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. In ihrem Innern erlebte sie die Hölle. Es war ein völliges Durcheinander, eine Irrfahrt der Gefühle. Außerdem wusste sie selbst nicht genau, wo sie hingehörte. Noch zu den Menschen oder bereits zu den Veränderten?
Ihre Gedanken wurden radikal unterbrochen, als die blonde Bestie zubiss. Zuvor hatte sie ihren Mund so weit wie möglich aufgerissen, denn sie wollte keinen Tropfen verlieren. Ihre beiden Blutzähne rammte sie wie Messer in den Hals, und genau diese mit einem scharfen Schmerz verbundene Berührung ließ die Ärztin noch mal in die Höhe zucken.
Sofort danach fiel sie wieder zurück.
Die Cavallo klebte mit ihrem Mund förmlich an der linken
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