Im Kerker der schönen Justine
Klappe schlagen, denn ich habe einen Ersatz für Justine gefunden. Ich gab ihr den Vornamen, und an Schönheit steht sie der Cavallo in nichts nach. Ich bin also wieder komplett, denn sie steht voll und ganz auf meiner Seite. Sie hat die Leute zur Ader gelassen und mir das Blut besorgt, das ich brauche.«
»Früher hast du es dir allein geholt«, spottete ich. »Wirst du alt, Will Mallmann?«
»Nein, das nicht. Aber sie ist eine Fachfrau und macht zudem alles, was ich will.«
»Klar, dann könnt ihr ja gemeinsam einen Drink nehmen. In Gesellschaft schmeckt es immer besser.«
»Spar dir deinen Spott. Du wirst Justine Varela in Ruhe lassen. Sie und ich, wir wollen nur das Blut wegschaffen, das ist alles. Und es wäre ohne Probleme gegangen, wenn ihr Suko und du, außen vor geblieben wärt.«
»Das ist nun mal nicht der Fall.« Von Justine Cavallo sagte ich nichts, und auch er redete nicht davon. Möglicherweise hatte er sie nicht auf der Rechnung.
Aber wie ging es weiter? Was wollte er in diesem verdammten Flur des Leichenkellers?
Ich wandte den Blick ab und schaute kurz auf den Pfleger, der zwar nichts tat, aber gerade durch sein Nichtstun meine Aufmerksamkeit erregte, denn er stierte mich mit einem Blick an, der eigentlich nur der unteren Gesichtshälfte galt.
Dort blutete ich.
Da wusste ich Bescheid. Dieser Pfleger Steckte nur in der Kleidung eines solchen. In Wirklichkeit gehörte er zu Mallmann’s Blutmannschaft und war ansonsten ein Bewohner der düsteren Vampirwelt.
»War das eine Warnung, Will?«, fragte ich locker, als stünde ein guter Freund vor mir.
»Genau das und ein Rat zugleich«, flüsterte er. »Haltet euch hier raus. Ich will nur das Blut und meine Freundin.«
»Ach.« Ich spielte den Überraschten. »Wenn du das willst, Mallmann, was machst du dann hier? Tut mir Leid für dich. Sie befindet sich nicht hier unten. Kann sein, dass sie auch Geschmack hat und es ihr hier unten zu ungemütlich war...«
Der Supervampir schüttelte den Kopf. »Du erzählst mir nichts Neues, Sinclair. Aber wie ich dir schon sagte, es geht mir auch um das Blut. Das will ich wegschaffen, und dazu brauche ich die fahrbare Bahre. Erst dann kümmern wir uns um Justine Varela.«
»Toller Name.«
»Hör auf damit.«
»Warum, Will? Kannst du die Wahrheit nicht vertragen? Ich wollte dir nur mitteilen, dass wir das Blut hier nicht gefunden haben. Es war nicht vorhanden, und ich denke, dass du mit deiner Suche von vorn anfangen musst. Manchmal hat man eben Pech. Dann läuft es nicht so gut.«
Zwischen mir und Mallmann bestand ein besonderes Verhältnis. Wir kannten uns schon sehr lange. Als Menschen hatten wir uns gut verstanden. Da war Mallmann so etwas wie ein Kollege von mir gewesen. Dann hatte er das Pech gehabt, zum Vampir zu werden – und zudem zu einem Blutsauger, für den fast die Bezeichnung unbesiegbar zutraf. Ich würde es nicht schaffen, ihn mit einer geweihten Silberkugel zu erledigen, denn er besaß einen großen Schutz. Er hatte es geschafft, sich den Blutstein zu besorgen, ein Abwehrmittel, das aus dem Blut des echten Vlad Dracul entstanden war. Das war stärker als die geweihte Kugel, die eigentlich jedem Vampir den Garaus machte, was wir oft genug erlebt hatten.
Zwischen uns gab es ein besonderes Verhältnis. Ein Unentschieden. Nein, wir respektierten uns nicht. Das konnte man nicht behaupten, denn jeder wollte der Sieger sein, und auch mein Kreuz hätte ich gegen ihn nicht einsetzen können, denn er gehörte zu den Wesen, die das Kreuz nicht fürchteten. Aber er hasste es, wie es auch der echte Vlad Dracul getan hatte, nachdem er von ihm enttäuscht worden war und deshalb seinen eigenen höllischen Blutweg gegangen war.
Und Mallmann war kein Wiedergänger, der nur in der Nacht durch die Gegend schlich und Menschen jagte, um ihnen das Blut auszusaugen. Er verfolgte seine eigenen Pläne und hatte es tatsächlich geschafft, sich eine Vampirwelt aufzubauen, die in einer anderen Dimension ihren Platz gefunden hatte. Hinzu kam noch etwas. Er agierte nicht allein. Damit meinte ich nicht die anderen Vampire, die sich in seiner Umgebung befanden, es gab noch einen großen Helfer, der ihm zur Seite stand, und dieser Mensch namens Saladin war für mich der gefährlichste Hypnotiseur der Welt. Er und Mallmann, sie bildeten ein mörderisches Duo. Zum Glück befand sich Saladin nicht in der Nähe.
Meine letzten Worte mussten ihn wohl geschockt haben, denn er gab mir keine Antwort. Aber er veränderte sich.
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