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Im Kinderzimmer

Im Kinderzimmer

Titel: Im Kinderzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Fyfield
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unter der Hand von Katherines angeblicher Schwangerschaft erfahren hatte, denn sie ahnte, daß David ihren heimlichen Kontakt mit seiner Mutter keinesfalls gutheißen würde.
    »Ja, warum nicht? Sie sagt, es hilft gegen die Schlappheit. Ich habe darauf bestanden; bei dem schönen Wetter.«
    »Habe darauf bestanden!« Mary ärgerte sich über seine Äußerung und auch, daß er sich weder nach ihrem eigenen Befinden erkundigte noch ein paar freundliche Worte sagte, scheißunverbindlich, der Kerl. Na ja, mit einer Schwägerin, noch dazu einer alten Jungfer, brauchte man sich keine Mühe geben. Das wollen wir doch mal sehen! Sie kam langsam in Fahrt.
    »Und die Kinder?«
    »Denen geht’s ausgezeichnet. Jeanetta ist zur Zeit bei ihrer Oma.«
    Das letzte gab David wie eine oft wiederholte Auskunft so desin-teressiert, so beiläufig von sich, daß Mary die Mitteilung fast übergangen hätte. Mit Verzögerung erst stockte ihr der Atem, und krampften sich ihre Finger um den Telefonhörer. Er log. Instinktiv wußte sie, daß sie nicht darauf Bezug nehmen durfte und sagte statt dessen nur: »Aha. Wann kommt denn Kath voraussichtlich wieder?«
    »Weiß ich nicht genau, ich schätze, so gegen fünf. Ich bin gerade beim Frühjahrsputz.«
    »Gut, dann komme ich um die Zeit nachher mal vorbei.« Um ihm keine Gelegenheit zu geben, sie abzuwimmeln, hängte sie gleich ein und stand dann wutbebend neben dem Telefon. Sie blickte auf die Uhr. Jetzt war etwa drei. Geh jetzt, geh gleich hin.
    Mary wußte im Gegensatz zu ihr immer, wo es langging. Besonders an diesem Nachmittag folgte Katherine blind einer Routine. Man hatte ihr gesagt, sie solle ein bißchen rausgehen, also ging sie ein bißchen raus. Es gab keinerlei Hoffnung, wenn sie nicht genau das tat, was ihr befohlen wurde, und sie war außerstande, irgend etwas anderes zu tun. Die Straße hinab, überqueren auf dem Zebrastreifen 342
    hundertfünfzig Meter weiter links, U-Bahn an einer von zwei möglichen Haltestellen besteigen oder auf den Bus warten, was sie nicht tat, weil Bewegung unabdingbar war und Stillstehen für eine unkal-kulierbare Zeitspanne undenkbar. Sie ging also zu Fuß bis zur Edgeware Road. Zug besteigen, umsteigen, alles Routine, die Tasche fest umklammert, die wie üblich die für das Center notwendigen Utensilien enthielt. Die Stufen hinunter, umziehen, eine halbe Stunde zu früh für den ersten Nachmittagskurs, den üblichen Teilnehmerinnen auf übliche Weise zulächeln. Doch die ihr teure Orientierung ließ sie in dem Moment im Stich, als sie sich in Bewegung setzte. Entweder erreichte die pulsierende Musik ihre Ohren nicht oder aber jeden der beiden Gehörgänge zeitversetzt, so daß sich in der Mitte eine Kako-phonie ergab in Hirnwindungen, die auf harmonischere Klänge pro-grammiert waren als diesen Disco-Rhythmus. Im Studiospiegel bemerkte sie, daß ihr Haar strähnig war, stumpf vom Abwaschwasser, das nicht recht wegtrocknen wollte, und sie blieb stehen, um mit unsicheren Händen die Strähnen zu ordnen, während die anderen die Beine ausschüttelten. Sie gab sich alle Mühe zu folgen: Dehnen, Beugen, den Anordnungen folgend zunächst noch in etwa dem Ablauf gewachsen, doch rasch entgleitend – nachhinkend oder vorausei-lend. Der Kurs ging weiter, die anderen Teilnehmerinnen starrten bemüht in den Spiegel, um sie nicht ansehen zu müssen, diese unnatürlich blasse, dürre Frau in der ersten Reihe, deren Motorik durch-einandergeraten war. Eine Neue grinste ihre Freundin an und rollte die Augen himmelwärts, wie um zu sagen: Meine Güte, sieh dir die mal an, da sind wir doch gar nicht einmal so schlecht, was bildet die sich bloß ein! Die Freundin brachte sie mit einem Zischen zum Schweigen. Während der Stunde war die Disziplin heilig, Störungen unerwünscht und wer nicht mitkam, der ging eben. Gelegentliche Exoten kamen eben vor. Zu den Kursteilnehmerinnen gehörten Magersüchtige, nervöse Übergewichtige und hin und wieder richtig Abgedrehte.
    Erst als Katherine sich eigenen Tanzfiguren hingab, und das mit eigentümlich tolpatschiger Anmut, erst als sie mit hocherhobenen Armen quer durch den Saal zu trippeln und die Ballerinabeine hoch-zuschleudern begann, machte sich ernste Besorgnis breit. Sie stellte 343
    sich an die Stange, warf einen Fuß mit solcher Leichtigkeit über das Rundholz und beugte den Oberkörper mit solcher Unermüdlichkeit aufs Knie, daß man die Gelenke krachen hörte, dann kam das andere dran, es folgte ein gehetzter Cancan zum

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