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Im Kinderzimmer

Im Kinderzimmer

Titel: Im Kinderzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Fyfield
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endlosen Wüsteneien der Schlaflosigkeit, die sie so zermürbt hatten, und weil er, sie oder es von Stunde zu Stunde größer zu werden schien und sich des Gebarens einer Groß-
    katze befleißigte mit eindrucksvollem Fauchen, Anschleichen und gewaltigen Sprüngen, gelangte Sophie rasch zu der Überzeugung, daß die Katze jeden Einbrecher in die Flucht schlagen müßte, der nicht gerade ein Riese wäre.
    »Ja, ja, meine Liebe, du fauchst ihn einfach an«, redete sie ihr voller Bewunderung zu. »Genauso, wie du es tust, wenn ich vorgebe, dir den Napf wegnehmen zu wollen. Nun sieh dir das an, du hast gespuckt. So furchterregend wie du bist! Deine Mama muß mindestens eine Tigerin gewesen sein, soviel steht fest. Allerdings von ungewöhnlicher Farbe.« Sophie lachte in sich hinein und bewunderte Miezes lauernde Annäherung an ein Wollknäuel. »Nur dein Farben-sinn läßt zu wünschen übrig«, monierte sie. »Du kannst nicht einmal Rosa von Weiß unterscheiden!«
    Oma war sich wohl dessen bewußt, daß sie mit sich selbst und der Katze mehr sprach als irgendwelchen anderen Lebewesen, verdräng-te diese Erkenntnis jedoch gern. Wer hatte auch schon ein ähnlich geneigtes Ohr, wenn sie ihre Ängste plagten? Und was war die Katze furchtlos! Außerdem lieferte sie einen ausgezeichneten Vorwand für die Beschränkung der Ausflüge außer Haus auf ein Minimum sowie für die Notwendigkeit, so bald als möglich umzukehren. Heute morgen hatte sie erwogen, Mieze mit in den Friseursalon zu nehmen.
    Wer sollte schon etwas dagegen haben? Nur sagte ihr eine dunkle Ahnung, daß man es trotzdem hätte. Also blieb sie daheim, verlor zunehmend das Zeitgefühl; die Stunden und mehr noch die Wochen-tage verschwammen. Ihr Gedächtnis kuppelte jetzt mit noch größerer Leichtigkeit aus, als das, von anderen weitgehend unbemerkt, schon im Verlauf des vergangenen Jahres der Fall gewesen war, das sie größtenteils in einem Nebel diffuser, aber uneingestandener Angst verlebt hatte. Doch seit der geradezu genialen Adoption Miezes be-338
    unruhigte sie die Lückenhaftigkeit ihres Erinnerungsvermögens nicht mehr.
    Sie war es zufrieden, zu tun, was sie wollte, und lästigen Pflichten eben nicht nachzukommen, wenn ihr nicht danach war. Zwar war es nicht so, daß sie sich Davids Gesichtszüge oder seine Erscheinung nicht mehr in Erinnerung hätte rufen können, doch der Gedanke an ihn, seine Frau und die Enkelkinder verursachte einen stechenden Schmerz in der Brust, der nur zu lindern war, indem sie die Katze hochnahm und herzte. Das tat sie auch jetzt.
    »Hätte hingehen sollen«, räumte sie bekümmert ein. Und noch einmal zu Mieze: »Hätte hingehen sollen, weißt du, zu seinem Geburtstag. Bloß hätte er dich nicht ins Haus gelassen. Du glaubst ja gar nicht, was er mit Katzen macht.« Mit Daumen und Zeigefinger der freien Hand formte sie den Lauf einer Waffe nach und richtete ihn auf die Wand. »Peng! Peng! Außerdem hat er mich ja nicht eingeladen, und deshalb bekommt er auch kein Geschenk. Die hübschen Socken. Dummer Junge.« Die leuchtend rosafarbenen Socken lagen neben Sophie auf dem Sofa – inmitten etlicher anderer Gegenstände, doch stachen sie durch die grelle, glänzende, tesafilmverklebte Ver-packung besonders hervor. »Aber Jeanetta würde dich mögen; wir wollen morgen mal hingehen.«
    Als das Telefon läutete, bewegte sie sich nur zögerlich. Durchs Fenster schien die Nachmittagssonne, und Mieze war auf ihrem Schoß eingeschlafen. Sie schreckte zusammen und bemerkte, daß sie keinen Rock trug, nur einen Unterrock. Daher spürte sie Miezes Körperwärme, ihre Geschmeidigkeit und die spitzen Jungkatzenkral-len so deutlich. Es war einzig die Vorstellung, halb bekleidet überrascht zu werden, die sie veranlaßte, sich zu erheben. Erst als ihr einfiel, daß man sie durchs Telefon ja nur hören, nicht aber sehen könnte, hatte sie keine solche Eile mehr, und sie meldete sich auch nicht mit der einst charakteristischen Forschheit.
    »Sophie? Bist du’s?« Sophie neigte den Kopf und schnitt der ent-thronten und dadurch hellwachen und auf Unfug bedachten Katze, die ihr zu Füßen saß, eine Grimasse.
    »Ja, natürlich bin ich es. Wer sollte es denn sonst sein?« Sophie klopfte sich die Katzenhaare vom Unterrock. Die schmuddeligen 339
    Flecken störten sie nicht. Die eigenen Haare im Spiegel an der Die-lenwand überm Telefon sahen auch nicht gerade ermutigend aus, also trat sie einfach ein Stück zur Seite. Sie hatte ein klein wenig Mühe,

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