Im Königreich der Frommen (German Edition)
geboren.
Diese
Masmak-Festung kann man noch heute in der Riader Innenstadt
besuchen. Gleich neben der zentralen Moschee steht dieses kleine
Fort aus Lehm mit einem breiten Turm in jeder der vier Ecken. Im
Innern ist ein kleines Museum untergebracht.
1902 war Abdulaziz
als Emir von Riad allerdings noch einer unter vielen regionalen
Herrschern auf der Arabischen Halbinsel. Anfänglich gegen
britischen Willen und schließlich mit Hilfe der
Hegemonialmacht schaltete er jedoch nach und nach seine Rivalen auf
der Halbinsel aus. Zuerst mussten sich die Al Raschid, die Rivalen
im Norden, geschlagen geben. Dann kam der Scherif von Hijaz, der
Region um Mekka, Medina und der Hafenstadt Dschidda am Roten Meer,
im Westen des heutigen Saudi Arabien, ins Zielfernrohr.
Ursprünglich
war der Scherif ein Statthalter der Türken. Im 1. Weltkrieg
rebellierte er jedoch gegen sie und ging auf die Seite der Briten
über. Diese Episode wurde durch T.E. Lawrences „Die fünf
Säulen des Islam“ berühmt.
Den entscheidenden
Vorteil in allen Kriegen gegen die anderen arabischen Fürsten
gaben Abdulaziz die Ikhwan, Arabisch für „Die Brüder“
oder „Die Bruderschaft“. Sie waren fanatische
Freiwilligenverbände, die die wahabischen Ausrichtung des Islam
auf der Halbinsel verbreiteten.
Ikhwan-Mitglieder
gründeten spontan Milizen in den Städten, die in ihre
Hände fielen, und nannten sie „Gesellschaften für
das Gute und die Verhinderung des Lasters“. Das waren die
unmittelbaren Vorläufer der Kommission für die Erhaltung
der Tugend und die Verhinderung des Lasters, der heutigen religiösen
Polizei des Königreiches. Die Gesellschaften der Ikhwan
eigneten sich genau dieselben Aufgaben an, die die religiöse
Polizei auch heute noch hat: Alle Läden mussten während
des Gebets geschlossen bleiben. Die Kleiderordnung musste
eingehalten werden.
Auch heute noch ist
die religiöse Polizei nicht in die Struktur der
Sicherheitskräfte eingebunden. Nach einigen Berichten ist sie
direkt dem König unterstellt, nach anderen dem Innenminister.
Auch heute noch tragen sie den kurzen Thobe, das weiße
traditionelle Gewand der Saudis, das als Zeichen ihrer Frömmigkeit
wie beim Propheten damals nur bis zu den Waden reicht.
1924/25 musste sich
der Scherif von Hijaz den Ikhwan der Al Saud geschlagen gegeben. In
Taif plünderten die Ikhwan die ganze Stadt und metztelten
Hunderte nieder. Bevor sie auch die heiligen Städte Mekka und
Medina zerstören konnten, griff Abdulaziz ein. Staatsmännisch
klug gewährte Abdulaziz dem frisch eroberten Hijaz eine gewisse
religiöse Toleranz.
Das Ende der Ikhwan
kam 1929, als sie mit Abdulaziz' Zielen ernsthaft in Konflikt
gerieten. Als die Ikhwan ihre Beutezüge über die nördliche
Grenze nach dem heutigen Jordanien nicht aufgeben wollten, schuf
Abdulaziz die ersten motorisierten Verbände seiner Armee, die
den Kamelen der Ikhwan überlegen waren. In der nördlichen
Wüste kam es zur Entscheidungsschlacht, in der die
Ikhwan-Milizen niedergemetzelt wurden. Spätestens als Abdulaziz
1932 sein Reich zum Königreich Saudi Arabien erklärte,
erkannten ihn die Briten als dominanten Herrscher auf der Arabischen
Halbinsel an.
Mit der Eroberung
des Hijaz hatten in Saudi Arabien die radikal-islamischen Vertreter
der Wüste, die Beduinen, gegenüber den städtischen
Schichten der weltoffeneren alten Handels- und Pilgerstädte
Dschidda, Mekka und Medina die Oberhand gewonnen. Eine Tatsache, die
viele Hijazis auch heute, fast achtzig Jahre später, immer noch
beklagen.
Damit wurde jedoch
auch ein Muster geschaffen: Die Al Sauds reisten am besten, wenn sie
das unter dem Banner des radikalen wahabischen Islam taten.
Daran hat sich bis
heute wenig geändert. Über die Jahre war das Regime der Al
Saud so wahabisch-islamisch, wie es nötig war, und es waren
jeweils die Krisen des Landes, die zu einer zunehmenden
Islamisierung geführt haben.
Ein solcher,
wichtiger Wendepunkt, der eine radikale Islamisierung auslöste,
war die Besetzung der großen Moschee in Mekka im November und
Dezember 1979. 200 Islamisten, die sich ausdrücklich auf das
Vorbild der Ikhwan beriefen, erschütterten damals die
Grundfeste des Königreiches.
Der 20. November
1979 war ein äußerst wichtiger Tag für die Muslime
der Welt. Nicht nur begann mit ihm das neue Jahr. Er war auch der
erste Tag des 14. Jahrhunderts, seit der Prophet das gottlose Mekka
verlassen hatte und nach Medina gezogen war.
Die Pilgersaison
war vorbei. Mekka war schon
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