Im Koenigreich der Traeume
schläft denn dein getreuer Knappe nicht auf der Schwelle?«
»Das stimmt«, bestätigte Royce grinsend.
»Er hat die Angewohnheit, sich, wo auch immer du dich befindest, so auszustrecken, daß er den Eingang blockiert«, führte Jenny aus.
»Auch damit hast du recht.« Royce wunderte sich selbst, daß er nicht vorher nachgedacht und erst alle anderen Möglichkeiten überprüft hatte, ehe er aus seinem Zimmer gerannt war.
Jenny wünschte, er würde sich zufriedengeben und wieder gehen, da er jetzt wußte, wo sie war. Seine Anwesenheit wühlte sie noch stärker auf, dabei wollte sie nichts mehr, als endlich zur Ruhe kommen. Sie wandte sich von ihm ab, um ihm das Signal zu geben, daß sie allein sein wollte, und betrachtete wieder die mondbeschienenen Hügel.
Royce zögerte; er wußte genau, daß sie ihn nicht in ihrer Nähe haben wollte, und trotzdem widerstrebte es ihm, ohne sie ins Zimmer zurückzugehen. Er sagte sich, daß er sich lediglich Sorgen wegen ihrer eigenartigen Stimmung machte und nicht blieb, weil er ihre Gegenwart genoß. Da er ahnte, daß ihr eine Berührung nicht willkommen war, hielt er sich zurück und lehnte sich an die Wand. Jenny hing weiterhin ihren Gedanken nach, und Royce runzelte leicht die Stirn, als er seine Schlußfolgerung, daß sie keine Dummheiten machen und sich aus Kummer das Leben nehmen würde, noch einmal neu überdachte. »Woran hast du gedacht, als ich herauskam?« fragte er.
Jenny zuckte kaum merklich zusammen. Zwei Dinge hatten sie beschäftigt, und über eines davon, nämlich über Brennas genialen Plan und ihre List, konnte sie ganz sicher nicht mit ihm sprechen. »Es war nichts von Bedeutung«, wich sie der Frage aus.
»Sag es mir trotzdem«, beharrte er.
Sie schaute über die Schulter, und ihr Herz machte einen heimtückischen Satz, als sie sah, daß seine breite Brust und das schöne, ernste Gesicht ihr so nahe war. Bereit, über alles zu reden, was sie von seiner beunruhigenden Nähe ablenkte, sagte sie mit einem Seufzer: »Ich erinnere mich daran, wie oft ich in Merrick auf einem solchen Balkon gestanden, über das Moor gesehen und an ein Königreich gedacht habe.«
»An ein Königreich?« wiederholte Royce erstaunt und erleichtert über diesen harmlosen Gedanken.
Sie nickte, und das dichte Haar wippte auf ihrem Rücken auf und ab.
Er mußte sich zwingen, seine Hände nicht in dieser rotgoldenen Mähne zu vergraben und ihr Gesicht zu sich zu drehen.
»An welches Königreich?«
»An mein eigenes.« Sie seufzte wieder. Es war ihr peinlich, davon zu erzählen, und sie kam sich dumm vor. »Ich habe mir mein eigenes Reich erträumt.«
»Armer Jakob«, scherzte er. »Welches Stück des schottischen Königreichs wolltest du für dich beschlagnahmen?«
Sie bedachte ihn mit einem kläglichen Lächeln, und ihre Stimme klang seltsam traurig, als sie erklärte: »Es war kein wirkliches Königreich mit Ländereien und Burgen - es war ein Reich der Träume, in dem alles so war, wie ich es mir wünschte.«
Eine längst vergessen geglaubte Erinnerung flackerte in Royces Gedächtnis auf. Er stützte die Arme auf die Brüstung, faltete locker die Hände und schaute in dieselbe Richtung wie Jenny, ehe er eingestand: »Früher einmal habe ich mir auch ein Reich nach meinen eigenen Vorstellungen ausgemalt. Wie sah deines aus?«
»Da gibt’s nur wenig zu sagen«, sagte sie. »In meinem Reich herrschten Wohlstand und Frieden. Gelegentlich wurde auch ein Kleinbauer schwerkrank, oder ein Unheil bedrohte unsere Sicherheit.«
»In deinem Traumreich gab es Krankheit und Auseinandersetzungen?« fragte Royce erstaunt nach.
»Aber natürlich!« bekannte Jenny mit einem schiefen Lächeln. »Es mußten auch schlimme Ereignisse eintreten, damit ich meinen Leuten zu Hilfe eilen oder jemandem das Leben retten konnte. Hauptsächlich deshalb habe ich mir ja dieses Königreich ausgemalt.«
»Du wolltest die Heldin für dein Volk sein«, stellte Royce fest und schmunzelte - einen solchen Traum konnte er nur allzugut verstehen.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein«, widersprach sie mit einem so sehnsüchtigen Unterton, daß Royce rasch wieder ernst wurde. »Ich wollte nur von den Menschen, die ich liebe, wiedergeliebt werden. Ich habe mir so sehr gewünscht, daß alle, die mich kennen, wissen, daß sie sich auf mich verlassen und zu mir aufsehen können.«
»Und das ist alles, was du dir in deinen Träumen vorgestellt hast?«
Sie nickte feierlich. »Deshalb habe ich mein Königreich der
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