Im Koenigreich der Traeume
Träume erfunden, in dem ich großartige und mutige Taten vollbringen konnte.«
Nicht weit entfernt, auf dem Hügel, wurde für einen kurzen Moment eine Gestalt im Mondschein sichtbar. Zu jeder anderen Zeit hätte Royce diese flüchtige Bewegung dazu veranlaßt, sofort seine Männer loszuschicken und die Gegend absuchen zu lassen. Jetzt jedoch war er von der Liebesnacht und dem Wissen, daß die Schönheit, die neben ihm stand, ihm noch mehr Wonnen bereiten würde, so gefangengenommen, daß sein Verstand gar nicht erfaßte, was seine Augen wahrnahmen. Diese Nacht war voller Wärme und Vertrauen, und Royce wäre gar nicht auf die Idee gekommen, daß in der Nähe höchste Gefahr lauerte.
Er dachte über Jennys verwirrendes Geständnis nach. Die Schotten, selbst die Tiefländer, die mehr nach den feudalen statt nach den Gesetzen der Clans lebten, waren ein Volk, für welches Loyalität das höchste Gut war. Und ob der Clan Jennifers Vater »Earl« oder »den Merrick« nannte - er und seine ganze Familie konnten von den Leuten absolute Unterwerfung und Treue fordern und auch erwarten. Aber wenn sie tatsächlich zu Jenny aufsehen und ihr vertrauen würden, hätte sich das arme Kind dieses wunderbare Traumreich nicht erschaffen müssen.
»Du bist eine tapfere, wunderschöne Frau«, sagte er schließlich, »und eine rechtmäßige Countess. Dein Clan bringt dir sicher die Gefühle entgegen, nach denen du dich so sehnst -wahrscheinlich verehren sie dich mehr, als du denkst.«
Sie löste den Blick von ihm und starrte wieder ins Leere. »In Wirklichkeit«, erwiderte sie ausdruckslos, »halten sie mich für bösartig und wankelmütig.«
»Wie kommen sie auf so absurde Gedanken?« rief Royce verständnislos.
Zu seiner Überraschung verteidigte sie die Treulosen vehement. »Was sollten sie denn sonst von mir denken nach allem, was mein Stiefbruder Alexander ihnen über mich erzählt hat?«
»Was hat er erzählt?«
Sie schauderte, schlang die Arme um sich und stand so da wie vorhin, als er auf den Balkon gekommen war. »Abscheuliche Dinge«, flüsterte sie.
Royce ließ sie nicht aus den Augen und bestand auf einer näheren Erklärung.
Jenny holte bebend Luft, fügte sich jedoch seinem Wunsch. »Er hat mir viele Gemeinheiten angedichtet, aber am schlimmsten war das Lügenmärchen, ich hätte Rebecca ertränkt. Becky und ich waren entfernte Cousinen und gute Freundinnen mit dreizehn Jahren. Ihr Vater - Garrick Carmichael - war Witwer und Becky sein einziges Kind. Er hat sie vergöttert wie wir alle. Sie war so lieb und unglaublich schön - noch schöner als Brenna -, daß man gar nicht anders konnte, als sie gernhaben. Ihr Vater liebte sie so sehr, daß er ihr wenig erlaubte, weil er Angst hatte, ihr könne etwas passieren. Sie durfte nicht einmal in die Nähe des Flusses gehen, denn er fürchtete, sie könnte ins Wasser fallen und ertrinken. Becky beschloß, schwimmen zu lernen, um ihm zu beweisen, daß ihr nichts zustoßen würde. Jeden Morgen schlichen wir zum Fluß, wo ich ihr das Schwimmen beibrachte.
Am Tag bevor sie ertrunken ist, waren wir auf dem Jahrmarkt und gerieten in Streit, weil ich behauptete, einer der Schausteller hätte sie unverschämt und anzüglich angesehen. Becky war aufgebracht und verletzt deswegen und sagte mir, als wir uns trennten, daß ich mir nicht erst die Mühe zu machen brauchte, am nächsten Morgen zum Fluß zu kommen, weil sie meinen Beistand nicht mehr nötig hätte. Ich wußte natürlich, daß sie das nicht ernst meinte - sie konnte noch gar nicht richtig schwimmen. Deshalb ging ich selbstverständlich trotzdem bei Morgengrauen ans Flußufer.«
Jennifers Stimme war zu einem Flüstern abgeflacht. »Als ich ankam, war Becky immer noch wütend auf mich; sie rief mir schon von weitem zu, ich solle sie allein lassen. Ich ging also und befand mich bereits auf dem Hügel und auf dem Weg nach Hause, als ich ein Platschen und Beckys Hilfeschreie hörte. Ich rannte los, aber Becky war nirgendwo zu sehen. Als ich auf halbem Weg war, entdeckte ich ihren Kopf oder vielmehr ihr Haar, das auf der Wasseroberfläche schwamm. Dann rief sie mich wieder und schrie um Hilfe ...« Jenny schauderte und rieb sich die Arme. »Die Strömung hatte sie erfaßt. Ich sprang ins Wasser, tauchte unter und versuchte, sie zu finden. Wieder und wieder bin ich getaucht und suchte verzweifelt nach ihr, aber ich ... ich sah sie nicht und konnte ihr nicht helfen. Am nächsten Tag wurde Becky gefunden. Sie war ein paar
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