Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Kreis des Wolfs

Im Kreis des Wolfs

Titel: Im Kreis des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Evans
Vom Netzwerk:
genug. Beide Männer lehnten dankend ab.
    »Egal, was mir machen, wir setzen uns doch immer in die Nesseln«, sagte Bryan.
    Helen sah Joel nicken, als denke er über das nach, was Bryan gesagt hatte. Er gab jedoch keine Antwort, nur sein Blick war eisig. So hatte sie ihn noch nie erlebt. Als nächstes wurde von einer drei Meter langen Python berichtet, die man unter dem Haus eines alten Ehepaars in Georgia gefunden hatte, wo sie fröhlich mehrere Jahre lebte und nur deshalb entdeckt wurde, weil es jemandem merkwürdig vorkam, dass so viele Hunde aus der Nachbarschaft verschwanden.
    Bryan fand Joels Schweigen offenbar ein wenig beunruhigend.
    »Und? Was hältst du davon?«, fragte er.
    Joel blickte ihn kurz an und sagte dann leise: »Ich denke, dass du ein ziemliches Arschloch bist.«
    Damit waren die Feiertage gelaufen.
    Joel und Helen fuhren zurück nach Cape, und eine Zeitlang schien alles wieder normal zu sein. Doch als das neue Jahr anbrach, fiel Helen an Joel eine wachsende Unruheauf. Wenn sie von ihrem Computer aufsah, ertappte sie ihn dabei, wie er Löcher in die Luft starrte. Sie bemerkte Kleinigkeiten, die ihn irritierten, etwa wenn sie mit den Fingernägeln auf die Tastatur tippte, während sie über etwas nachdachte.
    Bald wurde alles, was sie tat, von ihm stumm kritisiert. Manchmal stand er abrupt auf, nahm seinen Mantel und ging spazieren, und Helen fragte sich, was sie falsch gemacht hatte. Sie sah ihm vom Fenster aus zu, wie er den Strand entlang stampfte, die Schultern gegen den Wind gestemmt, und die Stöcke ignorierte, die Buzz ihm zum Werfen brachte, bis der Hund schließlich begriff, dass die Zeit der Spiele vorbei war.
    Eines Abends sagte Joel, während er zur dunklen Decke hinaufstarrte, dass er mit seinem Leben etwas Sinnvolles anfangen wolle.
    »Findest du das, was du im Augenblick tust, denn nicht sinnvoll?«, fragte Helen. Er schaute zu ihr hinüber, und sie fügte rasch hinzu: »Du weißt schon, ich meine nicht uns beide. Ich meine deine Arbeit.«
    Eigentlich hatte sie beides gemeint, aber er nahm sie beim Wort und meinte, sicher, natürlich, seine Arbeit sei in gewisser Weise durchaus sinnvoll.
    »Aber eigentlich ändert es nichts, ob ich nun ein paar Krabben rette oder nicht. Ich meine, die Meere sterben, der ganze Planet wird zerstört. Überall auf der Welt verhungern Menschen, oder sie bringen sich gegenseitig um. Muss man sich da nicht wirklich fragen, Helen, was zum Teufel man selbst dagegen tut? Verdammt, was bedeuten da schon ein paar Krabben? Das ist, als wollte man Geige spielen, während Rom brennt.«
    Ihr war plötzlich kalt. Er schlief an diesem Abend mit ihr, doch diesmal war es anders, als wäre er bereits fort.
    Ende April teilte er ihr dann beim Abendessen mit, dass er sich bei einer ausländischen Hilfsorganisation beworben und man ihn zu einem Bewerbungsgespräch gebeten habe. Helen versuchte verzweifelt, nicht verletzt auszusehen.
    »Oh«, sagte sie. »Ist doch prima.«
    »Tja, aber weißt du, das ist nur ein Bewerbungsgespräch.«
    Er nahm noch einen Bissen und vermied es, ihr in die Augen zu sehen. Eine Weile schwiegen sie beide, während Helen ihn innerlich vorwurfsvoll anschrie; doch sie versuchte, ihrer Stimme nichts anmerken zu lassen.
    »Glaubst du denn, du findest verhungernde Krabben in Afrika?« Die Worte waren ihr ganz ungewollt entschlüpft und ließen sich nicht mehr zurücknehmen. Er schaute sie an. Es war das erste Mal, dass sie ihm etwas derart Gehässiges gesagt hatte, und so redete sie weiter und versuchte, es wie eine ernstgemeinte Frage klingen zu lassen: »Ich meine, die wollen doch bestimmt Biologen mit Abschluss, oder nicht?«
    »Ich schätze, meine zwei Jahre Medizinstudium dürften sie eher beeindruckt haben«, sagte er kühl.
    Es folgte ein langes Schweigen. Er begann, die Teller zu stapeln.
    »Du hast mir nicht erzählt, dass du dich bewirbst.«
    »Ich war mir nicht sicher, ob ich es wirklich wollte.«
    »Ach?«
    »Ich meine, ich bin mir selbst jetzt noch nicht sicher.«
    Doch sie wusste, dass er sich längst entschieden hatte. In der folgenden Woche flog er zum Bewerbungsgespräch nach New York. Am nächsten Tag rief man ihn an und teilte ihm mit, dass er im Juni anfangen solle. Joel fragte Helen um Rat, und sie sagte ihm, was er hören wollte. Er solle das Angebot annehmen.
    Es dauerte lange, bis sie darüber oder auch über etwasanderes miteinander reden konnten. Draußen war es warm. Man konnte die Rufe der Regenpfeifer hören und am

Weitere Kostenlose Bücher