Im Kreis des Wolfs
durchgeschlafen, und nur wenn sie krank waren, kamen sie zu den Eltern ins Bett. Doch Luke weinte und beruhigte sich erst dann, wenn sie ihn mit zu sich ins Bett nahm und im Arm hielt, bis er eingeschlafen war.
Anfangs drängte Buck sie, ihn zurück in die Wiege zu legen, doch Luke schreckte immer wieder hoch und begann von neuem zu weinen, so dass sie ihn trotz Bucks Protesten die ganze Nacht bei sich behielt.
Und so zeichnete sich schon bald die neue Struktur ihres Lebens ab: Eleanor war müde und abweisend; ihr Mann fühlte sich ausgeschlossen, ließ sich schon nach kurzer Zeitwieder auf amouröse Abenteuer ein – die sie nun nach Kräften ignorierte und derentwegen sie ihn mit aller Macht zu bedauern suchte. Und da war dann noch dieser kleine Junge, der nun im wahrsten Sinn des Wortes zwischen ihnen lag.
Und so begann der lange Winter ihrer Ehe. Ohne Begehren und Zuneigung blieb ihnen nicht einmal mehr die Wärme für den gegenseitigen Trost, als der junge Henry starb. Am nächsten waren sie einander noch, als sie sich am Tag nach der Beerdigung stritten. Buck hatte sie dabei überrascht, wie sie die Wäsche ihres toten Sohnes bügelte, und sie eine Närrin genannt. Was soll ich denn tun, hatte sie gefragt, soll ich die Sachen wegwerfen?
Sie hörte, wie sich ihr Mann jetzt auf den Rücken drehte und sein Kissen zurechtrückte.
Bald schnarchte er, und sie lag da und fragte sich, in welchem Bett er heute Abend wohl schon gewesen war. Aber sie gab sich Mühe, sich nach all den Jahren nichts mehr daraus zu machen.
Dan brachte Helen aus dem Last Resort, wo sie nach ihrem Essen noch ein Bier getrunken hatten, zu ihrem Wagen. Sie bedankte sich bei ihm für den schönen Abend und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
»Engel mit dir«, sagte sie, als sie losfuhr.
»Mit dir auch.«
Es ging auf Mitternacht zu, und die Stadt lag verlassen da. Helen fuhr bis zum Ende der asphaltierten Straße und bog dann auf den Kiesweg ein, der ins Tal führte. Buzz, der im Wagen geschlafen hatte, saß jetzt wachsam auf dem Vordersitz.
Sie fuhr diese Strecke zum ersten Mal im Dunkeln, und nachdem sie den Hauptweg am oberen Talende verlassen hatte, wurde es etwas schwierig. Es gab keine Schilder, undsie wusste nur, dass sie zweimal rechts und einmal links abbiegen musste. Doch sie hatte sich verfahren und stand schließlich vor einer Ranch, aus der bellend ein paar Hunde hervor schossen und jemand aus einem der oberen Fenster schaute, dessen Silhouette sich deutlich im gelben Licht abzeichnete. Sie winkte, wendete und hielt in einiger Entfernung, um im Licht ihrer Taschenlampe die Karte zu studieren.
Am Waldrand fand sie endlich die Reihe der fünf Briefkästen, darunter ihr eigener, hinter der einige Bäume die richtige Abzweigung verdeckten. Die Kiesstraße wurde zu einem Sandweg, der sich steil und zerfurcht weitere vier Meilen hinauf zum Eagle Lake wand. Die Briefkästen hatten verschiedene Farben, ihrer war weiß. Sie nahm an, dass die übrigen Kästen zu Hütten oder Häusern gehörten, die sie noch nicht kannte. Doch die einzigen Menschen, die sie bislang hier oben gesehen hatte, waren ein einsamer Wanderer und der Fahrer eines riesigen Holztransporters gewesen, der sie am Nachmittag fast vom Weg abgedrängt hatte.
Während der alte Lieferwagen unter den Bäumen entlang rumpelte, dachte sie daran, was Dan ihr beim Essen zu sagen versucht hatte. Es gab wirklich schlechtere Männer als Dan Prior. Davon konnte sie ein Lied singen. Seine Gefühle rührten sie, und einen Moment lang fühlte sie sich sogar geschmeichelt – bis sich ihr anderes Ich meldete, jenes Ich, das ihr immer einen kräftigen Tritt in den Hintern verpasste, wenn sie auch nur anfing, zufrieden mit sich zu sein, und ihr sagte, sei nicht blöd, der arme Kerl ist geschieden und vermutlich ziemlich einsam.
Der Eagle Lake lag in einer Lichtung, einer großen Weide, die sich im Frühsommer in ein Meer von Blumen verwandelte. Am westlichen Ufer stand die Hütte, etwa zehn Meter vom Wasser entfernt, an einem sanften Hang, den ein Bachdurchschnitt, zu dem in der Dämmerung morgens und abends Hirsche zur Tränke kamen.
Als Helen den Wald verließ und zur Hütte fuhr, strahlten die Scheinwerfer des Pick-up acht oder neun der Tiere an. Sie hoben gleichzeitig den Kopf und schauten sie ohne Scheu an. Helen hielt den Wagen an, und einige Augenblicke betrachteten sie einander, während Buzz vor Aufregung zitterte und kleine japsende Laute von sich gab. Dann drehten
Weitere Kostenlose Bücher