Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Kreis des Wolfs

Im Kreis des Wolfs

Titel: Im Kreis des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Evans
Vom Netzwerk:
Figur und suchte nach Spuren, die Ruth hinterlassen haben könnte. Nichts zu sehen. Dann putzte er sich die Zähne, sah sich grinsend an, ging ins Schlafzimmer und vermied jene Bodendielen, von denen er wusste, dass sie knarrten. Er machte die Nachttischlampe aus, die Eleanor für ihn angelassen hatte, und schlüpfte leise neben ihr ins Bett.
    Wie jeden Abend hatte sie ihm den Rücken zugekehrt. Sie lag mit dem Gesicht zur Wand, ohne sich zu bewegen. Er konnte sie kaum atmen hören. Manchmal glaubte er, dass sie nur so tat, als schliefe sie.
    »Gute Nacht«, sagte er leise, erhielt aber keine Antwort.
    Frauen! dachte Buck, als sich die Konturen der Zimmerdecke über ihm langsam in der Dunkelheit abzeichneten.Selbst nach all diesen Jahren, nach all der Mühe, die er aufgewandt hatte, möglichst viele von ihnen kennenzulernen und möglichst viel über sie zu erfahren, blieben sie letztlich doch eines von Gottes größten Rätseln.
     
    Eleanor hörte ihn seufzen, hörte, wie er sich herumwälzte, und wusste, dass er sich zu ihr umgedreht hatte, sie vielleicht beobachtete, um zu sehen, ob sie schlief. Sie bewegte sich nicht. Bald würde er noch einmal kurz seufzen, sich zur anderen Seite drehen, sich etwa fünf Minuten später auf den Rücken legen, einmal mit der Zunge schnalzen und schließlich zu schnarchen beginnen.
    Sie beneidete ihn um die Leichtigkeit, mit der er in die Welt des Traums hinüberglitt. Vor langer Zeit, als sie selbst noch hoffte, schlafen zu können, hatte sie es mit dem gleichen Ritual versucht: linke Seite, rechte Seite, auf den Rücken, aber es funktionierte nie.
    Wenn er nicht getrunken hatte, schnarchte er nicht besonders laut. Es klang fast wie ein Blasebalg, mit dem man im Winter das Feuer im Wohnzimmer anfachte. Der Rhythmus ihres eigenen Atems war schneller, und jeden Abend versuchte sie, ihn beizubehalten. Aber es klappte nicht. Sie lag da, wartete unangenehm lang mit dem Ausatmen und wehrte sich mit jedem Schlag ihres Herzens dagegen, dass ihr Mann sie selbst noch im Schlaf beherrschte.
    Manchmal, wenn sie sicher war, dass er schlief, drehte sie sich leise und vorsichtig um, so dass die Matratze sich nicht bewegte, und beobachtete ihn. Sie sah, wie die mächtige Brust sich hob und senkte, sah das Zittern der offenen Lippen, wenn er ausatmete. Sein nach oben gekehrtes, im Schlaf entspanntes Gesicht wirkte fast kindlich, ja anrührend. Über seine Stirn verlief wie ein Heiligenschein ein hellesBand, dort, wo ihn der Hut vor der Sonne schützte. Eleanor suchte in ihrem Herzen nach Spuren ihrer früheren Liebe und erinnerte sich an die Zeit, als sie mehr als Mitleid oder Verachtung für ihn empfunden hatte.
    Vor ihrer Ehe hatte sie zwar nicht alles, aber doch ziemlich viel über Bucks Verhältnis zu Frauen gewusst. Die Freundin einer Freundin hatte persönliche Erfahrungen mit ihm gemacht und sie gewarnt. Als Eleanor ihn jedoch zur Rede stellte, legte er ein entwaffnend offenes Geständnis ab und überzeugte sie schließlich davon, dass er doch immer nur auf sie gewartet habe.
    Sie hätte ihn vermutlich auch geheiratet, wenn sie nicht von seiner Aufrichtigkeit überzeugt gewesen wäre. Sein Verlangen nach Frauen war eine Schwäche, und bei einem so starken Mann konnten Schwächen durchaus etwas Reizvolles sein. In der zutiefst katholischen Eleanor weckte dies einen bisher nie gekannten Missionierungseifer. Und sie war nicht die erste Frau – und würde gewiss auch nicht die letzte sein –, die einen Mann in dem Glauben heiratete, ihn retten zu können.
    Dass Buck Calder nicht bereit war, sich retten zu lassen, oder einfach nicht zu retten war, stellte sich schon nach wenigen Jahren heraus, doch brauchte sie noch eine ganze Weile, um sich diese Tatsache einzugestehen.
    Seine politische Arbeit in der Region und als Sprecher der Viehzüchtervereinigung bot ihm reichlich Gelegenheit, seinen Vergnügungen außer Haus nachzugehen, und was ihre Augen nicht sahen, konnte ihr Herz leicht verleugnen. Er war ein geschickter Betrüger, wählte die Frauen mit Bedacht und mied jene, die später vielleicht Schwierigkeiten machten. Und diejenigen, die er mit ins Bett nahm, schienen die Regeln zu kennen. Sie riefen ihn nie zu Hause an, hinterließen keine Make-up-Flecken auf seiner Kleidungund schienen ihm auch in ihrer größten Leidenschaft keine Beiß- oder Kratzspuren zuzufügen.
    Der Wunsch nach Verdrängung machte erfinderisch. Und Eleanor, der viel von der Schmach der betrogenen Gattin erspart

Weitere Kostenlose Bücher