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Im Labyrinth der Fugge

Im Labyrinth der Fugge

Titel: Im Labyrinth der Fugge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abe
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Kühbach.
    Wenige Hauswände weiter lebten ihre Eltern und, wenn sie noch nicht verheiratet war, Sidonia. Virginia, Schellebelle und Donna, ihre kleine Donna weilten nicht mehr unter den Lebenden.
    Sie legte sich zurück, weiterschlafen, einschlafen für immer. Wahrscheinlich war die Tür abgesperrt und sie verbrachten hier ihre letzten Stunden.
     
    Eine Nonne im selben Habit wie Schwester Hildegard schob sich durch die Kammertür und füllte mit ihrem Umfang gleich den Raum. Zur Begrüßung nieste Anna ihr entgegen, hielt sich die schmerzende Nase und verbarg sich unter der Decke.
    Die Nonne stellte die zwei mitgebrachten Zinnbecher ab, zog ein Tuch aus ihrem Kuttenärmel und reichte es Anna. »Dank sei Elisabeth, wenn es bei einem Schnupfen bleibt.«
    »Elisabeth?«, nuschelte Anna unter der Decke und nieste wieder, aber diesmal in das Tuch.
    »Die heilige Elisabeth ist zuständig für Kinder und Kranke. Ich beiße nicht, jedenfalls nicht mit böser Absicht.« Sie kicherte über ihren eigenen Witz. »Nur manchmal muss ich etwas zwicken, wenn’s der Heilung dient. Ich bin Schwester Demetria, zuständig für leibliches Wohl hier in St. Katherina.« Sie klopfte sich selbst auf den Kugelbauch. »Trink ein paar Schlucke von der Melisse, ehe sie ganz abgekühlt ist. Melisse aus unserem Garten. Jedenfalls bis gestern, als wir noch einen Garten hatten.« Sie seufzte. »Ich habe den Hagelschaden noch gar nicht überblickt.«
    Anna kroch aus ihren Decken, setzte sich auf und schnupperte an dem Becher. Das heiße Getränk roch gut, so frisch wie die Laken. Sie trank ein paar Schlucke. Es schmeckte, sogleich fühlten sich ihr Rachen und ihre Nase freier an und juckten nicht mehr.
     
    Schwester Demetria tastete der Winznonne Gesicht und Nacken ab. »Hier wird die heilige Elisabeth noch walten müssen. Das Mädchen glüht ja.« Mit einem geschickten Griff drückte sie der Winznonne den Kiefer auf und träufelte ihr etwas ein. Die Kleine verzog das Gesicht, wachte aber nicht auf. »Ja, ja, Beifuß ist nicht so wohlschmeckend wie Melisse, aber fiebersenkend. Wie heißt deine Freundin eigentlich?«
    »Ich weiß nicht. Sie kann nicht sprechen.«
    »Gestern dachten wir zuerst, du bringst eine Kleinwüchsige mit, so eine kleine Benediktinerkutte habe ich vorher noch nie gesehen. Aber mir scheint, sie ist ein ganz gewöhnlich gewachsenes Kind; stumm wie du sagst?«
    »Stumm nicht …« Anna überlegte, vielleicht konnte sie ja sprechen und hatte es nur mit ihr nicht getan. »Sie ahmt Tierlaute nach, täuschend echt. Es ist, als hätte sie keine Gelegenheit gehabt, die Menschensprache zu lernen.«
    »Ja, Gottes Wege sind seltsam. Ist sie auch ein Zögling aus Kühbach?«
    Auch das wusste Anna nicht.
    »Ich berichte Priorin Susanna später. Sie wird an die Äbtissin von Kühbach schreiben, dann erfahren wir alles.«
    »Bitte nicht. Ich will nicht, dass sie dorthin …, dass sie fortgeschickt wird.«
    »Erst mal muss sie gesund werden, dann sehen wir weiter. Das Wetter macht sowieso, was es will, gestern glaubten wir schon an das Weltenende, eigroße Hagelklumpen im Hochsommer, wann hat es das zuletzt gegeben. Wenn du dich nicht zu schwach fühlst, kannst du aufstehen. In der Truhe findest du warme Socken und Leibwäsche, die man eigentlich nur im Winter tragen sollte. Auch weltliche Kleidung ist darin, such dir was aus. Ich komme gleich zurück, um der Kleinen Wadenwickel zu machen. Wenn du magst, zeig ich dir danach alles, auch die Latrine, falls du eine brauchst.«
     
    Als Schwester Demetria gegangen war, erhob sich Anna. Sie schwankte etwas vom schnellen Aufstehen, hielt sich an der Truhe und öffnete sie. Darin befanden sich wirklich gewöhnliche Kleider, wenn auch aus der Mode gekommen, aus zweifarbigen Stoffen oder sogar gemustert. Anna suchte sich ein braunes Kleid mit gelben gebauschten Ärmeln aus und streifte es über ihr Unterkleid. Ihr fiel Virginias Zettel ein, den sie in den Ausschnitt des Leibchens gesteckt hatte. Er klebte unter ihrer linken Brust. Die Buchstaben hatten sich spiegelverkehrt wie ein Brandmal auf ihre Haut gedrückt, auf dem Pergamentstück selber waren sie kaum noch zu sehen. Anna wurde wieder von Trauer überrollt. Schnell wischte sie sich die Tränen fort, als Demetria mit Schüssel und Lappen zurückkam.
    »Schön. Das Kleid steht dir, genau das Braun deiner Haare. Wenn du auch etwas zu mager um die Taille bist. Haben die euch in Kühbach nichts zu essen gegeben? Lass uns gleich speisen. Ich

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