Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Labyrinth der Fugge

Im Labyrinth der Fugge

Titel: Im Labyrinth der Fugge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abe
Vom Netzwerk:
am Rauchabzug stand. »Ha!«, rief sie aus, kam mit einer Handvoll Gebäck an den mächtigen Busen gedrückt zurück.
    »Die Seelenbrezen sind für den Sonntag«, ermahnte sie Benefica. »Vor dir ist auch nichts Essbares sicher.«
    »Abgezählt werden sie hoffentlich nicht sein.« Demetria kaute bereits. Sie schenkte Wein und Wasser in zwei Becher und setzte sich zu Anna. »Lass es dir schmecken. Aber iss langsam, damit es auch drinnen bleibt.«
    »Das sagt die Richtige.« Benefica lachte.
    »Im Gegensatz zu dir schwitze ich nicht alles raus, sondern verwahre jeden Krümel fürs ewige Leben, wer weiß, was da auf der himmlischen Tafel steht.«
    »Völlerei ist eine Todsünde.«
    »Wer ohne Sünde ist, liebe Benefica … Sehr gut sind deine Brezen, du darfst sie unter den Augsburgern verteilen. Nun Schluss mit der Neckerei, ich will Anna erzählen, wie wir damals dem Rat die Stirn geboten haben.« Sie nahm sich eine weitere Breze und begann: »Als die Lutherischen alles beherrschen wollten, fünfzehnhundert…«
    »…fünfzig«, ergänzte Benefica und hackte Kerbel klein.
    »Benefica war auch dabei, ein junges Ding damals, wir alle waren jung, kaum älter als Martha und du, auch Susanna, die jetzt unsere Priorin ist. Der Rat verbot uns die Messe zu hören, zur Beichte zu gehen und das Abendmahl zu empfangen. Kein Anzeichen jedweder Papsterei sollte es in der lutherisch gewordenen Stadt geben. Manche Kirchen wurden sogar mit Ketten versperrt.«
    Wenn es nur heute noch so wäre, dachte Anna. Sie kaute, trank, schluckte und bemerkte wie auch Martha, während sie am Ofen rührte, gespannt lauschte. Annas Bauch fühlte sich schwerer und schwerer an. Ihr Kopf glich einer wippenden Kugel, sie hatte bisher nie Wein getrunken. Er war ihr immer zu bitter gewesen, doch nun schmeckte er.
    »Welcher Pfarrer widerstand, dessen Kirche wurde dem Erdboden gleichgemacht. Die Benediktinerinnen des St.-Nikolaus-Klosters brachte man auf Karren gepfercht wie Hexen zu uns. Gegen unseren Willen mussten wir die Predigten des Ratsprädikanten hören, wie hieß der noch gleich, Benefica?«
    »Musculus, Wolfgang Musculus.«
    »Und so sah er auch aus, wie ein Gewichtheber der Spielleute. Der Bürgermeister samt Gefolge drang in unseren Klausurbereich und überwachte die Maßnahmen. Mit all dem Geschwafel wollte man uns bekehren. Der Papst bestätigte uns zwar unsere Privilegien und auch der Kaiser erteilte uns einen Schutzbrief, aber sie gaben nicht auf. Sie setzten die alte Priorin ab, weil sie einer Weibsperson, die viel schwächer, verführbarer in Gemüt und Leib ist, die Leitung eines Klosters, das über beträchtlichen Grundbesitz und Vermögen verfügt, nicht zutrauten. Als letzte Instanz verboten sie uns unseren Habit. Doch wir widersetzen uns und trugen ihn unter der weltlichen Kleidung weiterhin.«
    Anna konnte sich schwer vorstellen, wie das Kleid ausgesehen hatte, unter dem Demetria ihre Kutte verborgen hatte. »Wenn die in St. Nikolaus und in Kühbach Benediktinerinnen sind, welchem Orden gehört Ihr dann an?«, fragte sie.
    »Dominikanerinnen, unser Kloster ist der heiligen Katharina von Siena geweiht. Viele Schwestern sind tatsächlich ausgetreten, besonders für die Alten war es schwer, eine Bleibe zu finden. Wer die Wirren überlebte, der landete im Siechenhaus. Darum sind wir nur noch sieben Nonnen, Schwester Benefica, Schwester Ochata, Schwester Klara, Schwester Magdalena, Schwester Hildegard und die Priorin Susanna und na ja, meine Wenigkeit …«, sie gluckste. »Alle fast gleich alt. Wie du dir denken kannst, freuen wir uns über Nachwuchs, der für uns einmal sorgen kann, wenn wir gebrechlich sind.«
    Jemand hatte bestimmt, dass sie als Novizin hierherkam, um Nonne zu werden. Anna presste die Hand vor den Mund und lief hinaus.
    Sie schaffte es noch zu den Latrinen neben dem Schlafsaal der Laienschwestern, bis das gute Essen noch unverdaut aus ihr herausbrach. Keuchend würgte sie wieder und wieder. Als sich ihr Magen beruhigt hatte, setzte sie sich auf einen Hocker und wusch sich das Gesicht in einer bereitstehenden Wasserschüssel. Sie hatte zu schnell gegessen, in Kühbach gab es nur Brot, Wassersuppe und an den Hochfesten etwas Fleischbrühe. Doch die plötzliche Übelkeit hatte noch einen anderen Grund. Sie wollte es in den letzten Wochen nicht wahrhaben: Ihr Weg wurde vorbestimmt, und wenn sie rebellierte, würde sie wieder verlegt werden. Ein anderes Kloster, in dem die Nonnen nicht so freundlich waren wie hier.

Weitere Kostenlose Bücher