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Im Labyrinth der Fugge

Im Labyrinth der Fugge

Titel: Im Labyrinth der Fugge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abe
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hatte sie nie gezweifelt, doch seit sie hier in Kühbach war, war er ihr fern, eine schattenhafte Erinnerung nur, wie alles, was zu Hause geschehen war. Ihm schien es gleich zu sein, wie es seinen Kindern erging. Es gab niemanden, der ihr half. Selbst ihre Taufpatin hatte sich nicht für sie eingesetzt, wahrscheinlich hatte sie sie hinter der Pforte bereits vergessen. Auch wenn Anna ihr auf irgendeine Art eine Botschaft zukommen ließe, würde ihr Jacobäa glauben, dass der Augsburger Domprediger ihre Schwester ermordet hatte? Wie sollte sie das beweisen, die Zeichnung der Winznonne im Karzer war dann bestimmt längst weggewischt worden. Es gab nur einen Menschen, der zwar genauso klein wie die Winznonne war, aber jeder Gedanke an ihn erwärmte ihr Herz. »Darf ich mich noch verabschieden?«, fragte sie die Aufsichtsnonne, die sie im Klammergriff am Arm hielt.
    »Meinetwegen, aber wage es nicht, wegzulaufen.«
     
    Im Refektorium winkte ihr Ruth schon von Weitem. Sie saß an Virginias Stelle am Tisch und aß mit Mechthild. Anna schluckte, kämpfte die Tränen hinunter, als sie die beiden sah. Die Aufsichtsnonne lockerte ihren Griff nicht, sondern begleitete Anna bei jedem Schritt. Es blieb keine Zeit die beiden zu fragen, wohin Virginias Leichnam gebracht worden war. Schnell drückte Anna Mechthild einen Kuss ins Haar und flüsterte Ruth hastig ins linke Ohr. »Sie bringen mich weg, ich weiß nicht wohin. Bitte, Ruth, schreib deinen Eltern, sie sollen Heinrich von Ortenburg alles erzählen. Vielleicht kann er seine Mutter um Hilfe bitten, damit Mechthild und meine Brüder gerettet werden. Bitte.« Sie umarmte beide und ging zurück.
    Erst jetzt schien Mechthild zu begreifen. »Anna«, schrie sie. »Aaaannnaaa.«
     
    »Hast du noch irgendwelche Besitztümer hier?«, fragte die Nonne. Anna schüttelte den Kopf und musste fast lachen. Sie besaß nur noch den Affenanhänger und den trug sie zum Glück um den Hals. Wahrscheinlich wollten sie alle Spuren verwischen, wenn sie sie irgendwo im Wald verscharrten.
    Vor der Pforte wartete ein zweirädriger Karren, der bereits Klostererzeugnisse geladen hatte. Anna kletterte auf die Ladefläche, hörte, wie die Aufsichtsnonne dem Fuhrknecht Anweisungen gab, und kauerte sich zwischen zwei Käfige mit Gänsen, die sich schnatternd zusammendrängten. Die Luft war lau, die Sonne brannte bereits vom Vormittagshimmel. Es roch nach frisch geschnittenem Getreide, überall summten Insekten. Der schönste Sommertag würde auch ihr letzter sein. Sie kratzte den Wachspfropf aus dem Ohr und warf ihn weit von sich.
    Mit einem Zungenschnalzer trieb der Fahrer, dessen Unterlippe seine kleine Knubbelnase überragte, das Maultier an und der Wagen setzte sich in Bewegung. Sie holperten die Landstraße entlang, blieben immer wieder stehen. Jedes Mal bangte Anna, dass der Halt ihr galt und nicht den Löchern in der Straße. Sollte sie davonlaufen? Jetzt da sich ihr die Freiheit bot, zögerte sie, schreckte vor dem zurück, was sie in der Welt außerhalb der Augsburger Stadtmauern, in denen sie aufgewachsen war, erwartete. Würde sie sich als Magd wie Schellebelle verdingen können? Was hatte sie schon vorzuweisen? Nichts, keine Geschicklichkeit, die in der Küche oder im Stall verlangt wurde. Und wenn sie sagte, dass sie einige Monate in einem Kloster Unkraut gezupft hatte, würde sie wahrscheinlich gegen Lösegeld dorthin zurückgebracht werden. Sie durchquerten Ansiedlungen, fuhren an abseits gelegenen Gehöften vorbei. Anna spürte ein Zucken in den Fußgelenken, als sollte sie doch vom Wagen springen und sich in einem Hinterhof verstecken. Im nächsten Dorf würde sie es wagen.
    Die Landstraße flirrte im Sonnenlicht. Es staubte unter den Hufen des Maultiers, immer wieder kippten die Räder in versandeten Fahrrinnen. Der Fuhrknecht hieß sie absteigen und hievte mit einigem Geruckel und zahlreichen Flüchen den Karren wieder in die Spur. Unterdessen beobachtete Anna Bauern, die Maulwürfe aus ihren Erdhaufen trieben. Ein Bub brüstete sich mit einer ganzen Garbe erschlagener Tiere. Nach einem Leben in argloser Dunkelheit erwartete sie beim ersten Kitzeln des Sonnenlichts schon der Tod. So würde es ihr auch gleich ergehen.
    Eine kühlende Brise kam auf, der blaue Himmel ergraute, als hätte jemand die Lichter ausgeblasen. Auf einem Hügel wiesen Türme einer kleinen ummauerten Stadt wie aufgespreizte Finger zum Himmel.
    Der Mann reichte ihr einen Ziegenbalg mit Wasser, ein Stück Brot und Käse,

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