Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Labyrinth der Fugge

Im Labyrinth der Fugge

Titel: Im Labyrinth der Fugge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abe
Vom Netzwerk:
hatte, als er sie enterben wollte.
    »Wo hast du deine Kutte, gehört es sich für dich, ohne Schleier, wie eine Gräfin, gekleidet zu sein?« Fäulnis breitete sich aus. Was zerfraß ihn von innen heraus? Er wischte mit dem Handschuh ein paar Pergamentrollen von dem einzigen Sessel neben dem Kachelofen und nahm Platz. Froh um das trennende Pult zwischen ihnen, schluckte sie gegen die aufsteigende Übelkeit an. Die Schreibstube füllte sich mit seinem Gestank. Mit seinen eng stehenden Augen versuchte er sie zu durchdringen und ähnelte dem alten Löwen am Boden, oder dem, was noch von ihm übriggeblieben war. Auch bei Philipp lichteten sich die Haare. Wo war der Bub geblieben, der sich an sie geklammert hatte, als eine Maus aus dem Buchslabyrinth gesprungen war? All seine liebenswerten Züge waren verloren gegangen. Das Holz im Kachelofen knackte und Anna atmete auf. Sie musste ihn nicht mehr fürchten.
    »Drei Päpste habe ich angefleht unsere Familie wegen des verschärften Zinsverbotes nicht zu exkommunizieren.« Philipp durchbrach das Schweigen. »Und du fliehst aus dem Kloster.«
    Dann hatte er ihre Entführung bei den Herrschern nur vorgetäuscht, um Mitleid zu erregen. Wie erbärmlich! Hörmann war ganz umsonst gefoltert worden.
    »Wir wollten dem Papst ein Zeichen geben, dass wir seine Kalenderreform voll und ganz unterstützen.«
    »Wir? Du meinst, der katholische Teil des Rates, sechs gegen sechs«, verbesserte sie ihn. Ihre Stimme klang erstaunlich fest, langsam spürte sie die alte Kraft in sich. Sie zitterte nicht mehr.
    »Und du verschwindest genau in diesen zehn Tagen spurlos.«
    »Von welchen Tagen sprichst du?«
    »Ach, du willst mich verspotten? Glaubst du, ich weiß nicht, dass dein Kind allein bei der Schwester des Goldschmiedes in Heidelberg ist?« Er fletschte die braun verfärbten Zähne.
    Anna hatte geahnt, dass er sie an ihrer empfindlichsten Stelle treffen wollte. »Warum, Philipp?«, fragte sie so ruhig wie möglich.
    Er lachte, dieses vertraute Fuggerlachen, es konnte ihr nichts anhaben, auch wenn sie ganz allein mit ihm war. »Hat dir Hörmann nicht berichtet, wie es ihm ergangen ist mit meinen Spielzeugen? Ich brauche nur mit den Fingern zu schnippen und du sitzt im Loch, tief unter der Erde.«
    »Wer sagt dir, dass ich nicht mit den Fingern schnippe?« Sie hob die Hand. »Dass eine Frau, die eigene Schwester dazu, dir die Stirn bietet, peinigt dich, gib es zu.«
    »Du verstehst nichts. Dabei hielt Vater dich für die Klügere. Doch die Geschicke der Familie lenke ich heute ganz allein.«
    »Ja, weil du alle anderen aus dem Weg geräumt hast.«
    »Damit habe ich nichts zu tun.«
    »Und Vater?«
    »Ein Versehen, weiter nichts.«
    Nicht schon wieder, auch Canisius behauptete, Virginia nur aus Versehen vom Turm gestoßen zu haben.
    »Ich wollte Vater lediglich zeigen, dass er so nicht mit mir umzuspringen hat und bin in den Keller gegangen, um mich an irgendetwas von seinen Schätzen zu rächen. Er weilte ja gerade im Kloster, bei dir, seiner Lieblingstochter. Und da fand ich die Rezeptur für den Kaiser samt vorbereiteter Zutaten. Von der gewaltigen Sprengkraft ahnte ich nichts. Ich wollte ihn lediglich ein bisschen in einem von mir gelegten Feuerwerk springen lassen wie einen Tanzbären.« Er klopfte mit seinen Ringen auf die Sessellehne und stellte einen Tanz nach. Dann brach er das Siegel des mitgebrachten Briefes auf und las, so als würde er sich an einem ganz gewöhnlichen Tag in der ›Goldenen Schreibstube‹ befinden.
    Annas Herz schlug wieder heftiger. Eine Nachricht per Brief war nicht abgesprochen gewesen.
    Seine Miene verdüsterte sich. Wieder und wieder las er.
    »Severin ist tot«, sagte sie, zog ihren Trumpf aus dem Ärmel und legte das Giftkästchen mit Philipps Gravur aufs Pult.
    »Er hat es wohl nicht fertiggebracht, mich gänzlich zu vergiften, und das Arsenikum selbst geschluckt.«
    Philipp sah auf.
    »Das sieht ihm ähnlich. Oheim Christoph hat mir erzählt, dass er schon damals zu weich gewesen sei, den Teufelsmönch zu erstechen, und ihn nur in eine Truhe verfrachtet habe, von wo er dann entkommen konnte.«
    Anna war verwirrt. Ein Leben lang hatte sie gedacht, den Mönch auf dem Gewissen zu haben und nun erfuhr sie von ihrem Bruder, dass er überlebt hatte. Sie musste sich sammeln. Er schien ihre Verunsicherung zu bemerken und beugte sich vor.
    »Für welchen Buchstaben steht die Acht?«, fragte er. Die Holzbank war festgeschraubt, sie konnte ihm nicht

Weitere Kostenlose Bücher