Im Labyrinth der Fugge
zahlreiche Legenden, die golddurchwirkten Wände, die in Kellenbenz’ Traum vorkommen, sind eine davon. Da Kaufleute ihr Brot nicht, wie es die Bibel verlangte, im Schweiße ihres Angesichts aßen, sondern durch Zinsgeschäfte verdienten, mussten sie mehr für ihr Seelenheil tun als gewöhnliche Sterbliche. Nur einem Fugger konnte es einfallen, den Mietzins der Armensiedlung gering zu halten, sich so in aller Welt bis heute als großen Gönner zu geben, aber die tägliche Beterei um sein Seelenheil den Fuggereibewohnern aufzubürden.
Zu Annas Stundenbuch inspirierte mich das sogenannte Voynich-Manuskript, ein bis heute verschlüsseltes Schriftstück mit Abbildungen, das aus dem Mittelalter stammt. 1912 kaufte es Wilfrid Michael Voynich den Jesuiten ab. Bis heute fand man nicht heraus, in welcher Sprache es verfasst ist, noch was die Illustrationen zu bedeuten haben.
Der Name Kellenbenz ist vom Fuggerforscher Hermann Kellenbenz entliehen. Adam Gumpelzhaimer (Kellenbenz’ Nachbar im Roman) war ein bekannter Musiklehrer und Komponist, der ein auflagenstarkes Lehrwerk verfasste. Der Gumpelzhaimer Nachlass im Roman ist allerdings von ganz anderer Konstistenz.
Die Basilikabilder im Kapitelsaal des ehemaligen Katherinenkloster Augsburg kann man im Schaezlerpalais an der ›Kaisermeile‹ (Maximilianstraße) betrachten, nicht weit von der Kleesattlergasse (heute: Armenhausgasse), wo Anna ihre Kindheit verbrachte. In der Eingangspforte von Annas Geburtshaus befindet sich kurioserweise eine klösterliche Drehlade. Auf dem Schild wird leider nur Philipp Eduard Fugger genannt. Der hintere Teil des Grundstücks gehört heute dem Hasenbräu. Fuggerbier wird dort (noch) nicht gebraut.
Ob die Fugger-Zeytungen wirklich die ersten Zeitungen waren, ist umstritten. Vermutlich scheiterte Philipps Vorhaben am Analphabetismus seiner Zeit. Die Heidelberger ›Bibliotheca Palatina‹ galt als ›Mutter aller Bibliotheken‹ und durch ihren großen Bestand an protestantischer Literatur als Hort der Ketzerei. Aber erst in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges gelangten die Bücher auf zweihundert Mauleseln über die Alpenpässe nach Rom. 1943 versuchte Hitler, die von der Vatikanischen Bibliothek einverleibten Bücher nach Deutschland zurückzuführen. Doch das ist eine andere Geschichte.
Leider ist Exorzismus kein Teufelsspuk aus dem sechzehnten Jahrhundert, sondern wird bis heute, auch in Deutschland, praktiziert.
Wer aufmerksam, mit Annas Lebensgeschichte im Hinterkopf, durch Augsburg spaziert, kann an vielen Stellen ihre Spuren auch heute noch finden.
Viel Spaß dabei
wünscht
Worterläuterungen:
Aqua alta: (italienisch) Hochwasser
Athanor: spezieller Ofen der Alchemisten
Barchent: ein Mischgewebe aus Baumwolle und Leinen
Bezoar: Magenstein, dem Heilkräfte zugeschrieben
wurden
Birett: Kopfbedeckung der katholischen Geistlichen
Ca’ dei desideri: (italienisch) Haus der Wünsche. (Ca, Abkürzung für Casa. Mit Palazzo bezeichnen die Venezianer nur den Dogenpalast.)
Cosa c’è di nuovo: (italienisch) Was gibt es Neues?
Daxen: abgeschnittene Zweige von Nadelbäumen
Dormitorium: Schlafsaal im Kloster
Dult: Bayerischer Ausdruck für Jahrmarkt
Flagellant: Angehöriger einer religiösen Bewegung des Mittelalters, deren Mitglieder sich als Zeichen der Buße öffentlich selbst geißelten
Franzosenkrankheit: Syphilis
Galgant: Heil- und Gewürzpflanze, aus der Familie der Ingwergewächse
Hasen-Preu: Die Brauerei, der heutige Hasenbräu, ist in der ehemaligen Kleesattlergasse, heute Armenhausgasse, in Augsburg, wo früher das Herrenhaus der Fugger stand.
Heuke: Mantel für den Kirchgang, meist mit hohem Stehkragen
Holztrippen: Unterschuhe, meist mit einem Lederriemen, in die man mit seinen feinen Schuhen schlüpfte, um sie vom Unrat der Straße sauber zu halten
Homunkulus: künstlicher Mensch
Horen: Stundengebete
Hucker: alte Bezeichnung für Lebensmittelhändler, daher stammt der Ausdruck ›huckepack nehmen‹
Hübschlerin: Prostituierte
Kerbholz: Auf einem Holzstück wurden im Mittelalter die Schuldenverhältnisse eingeritzt. Daher sagt man bis heute: ›etwas auf dem Kerbholz haben‹.
Komplet: Mitternachtsgebet, das Martin Luther in den Abendsegen der evangelischen Familien umwandelte.
Kukulle: mantelähnliches Gewand, das über dem Ordenskleid getragen wird
La Fuchera nostra: (lateinisch) Unsere Frau
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