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Im Labyrinth der Fugge

Im Labyrinth der Fugge

Titel: Im Labyrinth der Fugge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abe
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Freunde zu den Festlichkeiten ein. Den Ausschlag für die Versöhnung mit Ulrich gab aber Canisius’ Zinsverbot und das konnte nun Annas Rettung bedeuten.
    Ulrich legte Annas langes Bekenntnis bei, worin sie genau beschrieb, wie ihr Bruder sie auch nach ihrer Eltern Tod gegen ihren Willen im Kloster festgehalten hatte und dass sie zu keiner Zeit von Hörmann bedrängt worden war. Der Goldschmied selbst saß zusammengesunken am Tisch und starrte auf eine neumodische Gabel, mit der man nun anstelle der Finger aß. Er, der einstige Goldschmied, konnte sie mit seinen zerschlagenen Fingern nicht halten und musste von seiner Schwester gefüttert werden.
    »Wir brauchen eine Mehrheit gegen Philipp. Selbst wenn Marx noch ein, zwei Ratsherren überzeugen kann, reicht es nicht.« Heinrich wollte alle Möglichkeiten durchspielen.
    Ulrich nickte. »Stimmt. Octavian ist auf Philipps Seite. Die Ratsherren werden Beweise fordern.«
    »Ein Werkzeug des Teufels«, murmelte Hörmann. »Genau wie der Dreizack im Handelszeichen der Fugger.« Alle wandten sich ihm zu. »Als ich in den Seilen hing, hörte ich einiges, was nicht für mich bestimmt war. Der Rat wird dankbar sein, wenn er den gierigsten aller Fugger loswerden kann.«
     
    Am schwersten war der Abschied von ihrer Tochter. Viele Male drückte und küsste sie die Kleine. Lange genug war sie durch die Vergiftung von ihrem Kind getrennt gewesen. Doch nun ging es nicht anders. »Ein letztes Mal, ein allerletztes Mal«, flüsterte sie ihr in die Flaumhaare und reichte sie Barbara.
    »Ich achte auf sie, versprochen«, sagte die Freundin. »Wenn ihr wiederkommt, feiern wir Taufe, dafür bereite ich alles vor. Es hat ja noch länger gedauert als bei dir damals, Anna, bis die Kleine endlich einen Namen bekommt.«

9. Das Licht
    Die Reise war die reinste Höllenfahrt, ein Dutzend Mal übergab sich Anna und glaubte schon, sie würden nie die Türme von Augsburg erreichen. Als Gesunder spürte man schon alle Unebenheiten der Strecke, aber als eine dem Gifttod Entkommene war jeder Stein eine Tortur. Obwohl die Wagen seit einigen Jahren zwischen den Rädern hingen und die Löcher und Erhebungen auspendelten. Heinrich hielt sie, wenn sie sich wieder aus der Kutsche beugte, flößte ihr Wasser ein, denn immer noch glaubte sie, auszutrocknen. Jeder Schluck war eine Qual, ihre Kehle brannte. In seinen Armen dämmerte sie bis zur nächsten Übelkeit dahin, spie nur noch grün. War das der letzte Rest des Giftes?
    »Wir haben es geschafft.« Heinrich weckte sie am Weinmarkt mit einem Kuss. Wie lange hatte sie Oheim Marx’ und Muhme Sibyllas Stadtpalast mit dem weithin leuchtenden Kupferdach nicht mehr gesehen? Die Fassade mit der prächtigen Bemalung zeigte, wer hier residiert hatte: Kaiser Karl V. und die ungarische Königin und Kardinal Thomas Cajetan, der Martin Luther hier zu seinen Thesen vernahm. Anna spielte oft mit ihren Geschwistern zwischen den Säulen im Damenhof Fangen, wenn Vater sie in die ›Schreibstube‹ mitnahm, es ihr zu langweilig wurde und stellte sich dabei vor, eine Prinzessin der Medici zu sein, die in einem Florentiner Innenhof herumsprang.
    Heinrich führte sie, in ihrem Chormantel verborgen, die Stufen hinauf. Sie besprachen sich kurz mit Oheim Marx, dann ging Anna allein in die ›Goldene Schreibstube‹ oder in das, was nach zweihundert Jahren Fuggergesellschaft noch davon erhalten war. Die lederne Wandverkleidung mit der Goldprägung war abgeschabt oder fehlte, die goldenen Muster abgeblättert. Die Griffe an dem schmalen, einst weißen Schrank mit den vielen Schubladen waren wie das Holz schwarz verfärbt und schlossen nicht mehr. Dokumente quollen daraus hervor. Gab es für jeden Schuldner ein Fach? Auch das Löwenfell auf dem Boden war abgetreten und löchrig. Der Löwenkopf seiner Haare beraubt, Holzspäne ragten aus einem Auge. Ein guter Kürschner wäre hier gefragt, aber konnte sich den ihre Familie überhaupt noch leisten?
    Anna setzte sich ans Schreibpult vor den Kachelofen. Noch immer hatte sie das Gefühl, jeder Knochen im Leib würde schreien. Sie hörte Schritte. Ihr Herz schlug bis zum Hals, das Kragenplissier zitterte. Philipp stand im Türstock und riss vor Erstaunen die Augenbrauen hoch.
    »Sieh einer an, die entsprungene Nonne.«
    Oheim Marx hatte nach ihm schicken lassen. Entweder machte er auf der Stelle kehrt, oder… Nein, Philipp war ein Spieler, er gab nie auf. Und sie würde ihn mit seinem eigenen Einfall schlagen, den er ihr verraten

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