Im Labyrinth der Fugge
wirklich einen Teufel ins Haus geschickt? Aber wozu? Um seine Frau zum Katholizismus zu bekehren, weil er sich mit Worten bei ihr nicht durchsetzen konnte? Dann hatte es Canisius als langjähriger Beichtvater der Fugger übernommen und es auch geschafft. Sie begannen mit der Bekehrung bei der Magd, um zu erproben, welchen Schaden es anrichtete. Wer war als Nächstes dran? Sie musste es herausfinden. Sollte sie Sidonia und Virginia einweihen? Doch auch Sidonia glaubte, dass Schellebelle eine Hexe war, sie fand es nur gerecht, dass sie im Kerker saß. Anna goss sich Wasser aus dem Krug in die Waschschüssel und versuchte sich die Tusche abzuwaschen, es gelang nicht. Sogar im Gesicht hatte sie Tuschespritzer. Das Wasser färbte sich dunkel, aber auf ihrer Haut verschmierte die Farbe nur. Sie kratzte auf ihren Händen herum, dann gab sie auf. Im Gang suchte sie nach Donna und fand sie auf dem Küchentisch sitzend bei Virginia, Mechthild und Albert, die ihr Morgenmahl verzehrten und der Köchin beim Ausweiden und Zubereiten eines Karpfens zusahen. Die Köchin unterdrückte einen Aufschrei, als sie Annas verschmierte Haut sah.
»Nur Farbe«, versicherte Anna und lugte auf die Teller mit Birnenkompott, Mandelkuchen und kandierten Trockenfrüchten, die Viriginia um sich herum aufgebaut hatte.
»So schaut der Schwarze Tod aus, Contessa. Treibt damit keinen Spaß. Habt Ihr auch schwarzen Auswurf und Beulen in den Achseln?«
Anna schüttelte den Kopf, wartete die Ausführungen der Köchin über den Krankheitsverlauf der Pest nicht ab, sondern versprach ihren Geschwistern gleich zurück zu sein.
»Ihr müsst was essen, Contessa.«
Anna schnappte sich von Viriginia ein Birnenstück und einen Wecken und lief den Wehrgang entlang. Auf der Wendeltreppe im Turm zögerte sie, ob sie hinauf- oder hinuntergehen sollte. Doch bei dem Gedanken, in der Bibliothek leere Nischen vorzufinden, stieg sie besser nach unten. Wie oft hatte sie ihrem Vater im Alchimistenkeller bei einem seiner Experimente geholfen. Meist führte er sie nicht zu Ende, sondern ließ Glaskolben und Tiegel blubbernd stehen, bis Severin irgendwann vor dem nächsten Versuch alles aufräumen musste. Die Gefäße, Mörser und Kolben mit ihren wuchtigen Nasen, die Kessel und Siebe in allen Größen hatte sie abgezeichnet. Und bisher dachte sie auch, ihrem Vater sei die Wissenschaft wichtiger als Kirche und Gebet. Hatte sie sich getäuscht? Rechts und links der eisenbeschlagenen Tür waren brennende Fackeln in die Wandhalter gesteckt. Sie öffnete.
»Vater?« Manchmal war er so in ein Experiment vertieft, dass er sie nicht bemerkte. Überall standen Laternen und Talglichter herum. Der Athanor bullerte, jemand musste vor Kurzem nachgeschürt haben. Sie vernahm ein Zischeln wie von Stimmen im hinteren Teil des Gewölbes, oder war es doch nur das Knacken des Feuers? Auf dem Tisch gleich neben dem Eingang lag das aufgeschlagene Ahnenbuch der Familie. Vaters Sehhilfe steckte zwischen den Seiten. Aufgeschlagen war das Bildnis ihres Oheims Christoph in schwarzer Schaube und Straußenfederbarett mit dem Wappen der Fugger von der Lilie. Anstatt einer Frau, war der Platz neben ihm leer. Sie blätterte weiter bis zu Oheim Ulrich, bartlos in einer roten Schaube und pausbackig wie ein Bub. Vaters Verbündeter. Auch neben ihm war der Platz für die Frau und ihr Familienwappen noch leer. Da schnaufte doch jemand? Sie stieg über Holzkisten, verstreute Pergamentrollen und Kleidungsstücke in dem hinteren Teil des Kellers. Vater stand hinter dem Athanor. Er rührte sich nicht, nicht mal sein Kopf bewegte sich. Sie wankte und schrie auf. In seinem Rücken steckte der Silberdolch. »Anna!« Ihr Vater trat hinter dem Erstochenen hervor. Unverletzt, lebendig, als sei er sein Zwilling.
Sie war auf eine Kiste gefallen.
»Hast du dir wehgetan?« Vater reichte ihr die Hand, musterte ihre schwarz gefärbten Hände, dann lachte er. »Aha, du brauchst neue Tusche. Dann komm, und erklär was Salpeter ist.« Er zog sie an den Ofenrohren vorbei. Von der Seite gesehen, war es nur ein mannshoher Balg mit Vaters Kleidung. Aber Hörner und eine schwarze Fratze lugten unter dem Barett hervor. Der Teufelskopf, den der Mönch damals getragen hatte!
»Du zitterst ja, was ist? Ach, mein Fundstück aus dem Lochbach, schaurig fürwahr. Severin hat ihn für mich gereinigt und hier zum Trocknen aufgehängt. Der Witzbold hat den Ziegenbock wie einen Menschen drapiert. Tut mir leid, wenn es dich erschreckt
Weitere Kostenlose Bücher