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Im Labyrinth der Fugge

Im Labyrinth der Fugge

Titel: Im Labyrinth der Fugge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abe
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hat.«
    Die Mauern im hinteren Gewölbeteil waren mit kunstvoll gewebten Teppichen verhängt. Anna fiel ein, dass der erste Vorfahr der Fugger Weber war und den Reichtum ihrer Familie mitbegründet hatte. Ob einer der Teppiche von ihm stammte? Laternen tauchten den kleinen Salon in warmes Licht und in der Ecke hing ein Hirschkopf mit einem mächtigen Geweih.
    »Meine neueste Errungenschaft, ein Zwölfender, was sagst du? Ich habe ihn Ulrich abgeschwatzt, bevor ihn seine Hunde auf der letzten Tierhatz vollends zerfleischt hätten. Betrachte ihn genau. Ein Meisterstück, man sieht keine einzige Naht.« Vater hatte doch nichts mit dem Teufelsspuk zu tun, den Bockskopf nur gefunden und sich den Hirschen zum Vergnügen präparieren lassen. Sollte es so einfach sein? Zwischen den alchimistischen Gerätschaften standen auch maurische Wasserpfeifen, die ihr Vater von seinen Reisen mitgebracht hatte. Anna roch ihn, bevor sie ihn sah.
    »Guten Morgen, Hochwürden«, stammelte sie und knickste, verbarg ihre verschmierten Hände hinter dem Rücken. Am liebsten hätte sie kehrtgemacht. Pater Canisius nickte ihr zu und trank aus einem Zinnbecher. Mörser, Stößel, eine Waage, verschiedene Fläschchen und Kupfertiegel, dazwischen eine Weinkaraffe standen auf dem niedrigen Tisch vor ihm. Erst dann entdeckte Anna Philipp, der mit einem Rezepturenbuch auf dem Schoß zwischen den Glaskolben saß.
    »Meine Tochter kennt sich damit besser aus als mein Sohn«, sagte Georg Fugger und wies ihr einen Platz zu. Sie setze sich, drückte ihre Hände in die Rockfalten.
    »Wie gesagt, die Liste ist lang.« Vater schenkte Wein nach, ließ sich ebenfalls in einem Sessel nieder. »Ich habe den Pater schon über Schwefel, auch Weinstein, Baumharz und Pech aufgeklärt.«
    »Gekochter Salpeter steht hier noch«, ergänzte Philipp.
    Georg nickte. »Los, Anna, du weißt es doch auswendig. Zeig, dass deine Studien gefruchtet haben«, forderte er sie auf.
    Anna war in Gedanken noch bei dem Teufelsbalg mit dem verzierten Silberdolch. Aber dem Pater beweisen, dass Frauen außer Beten und Kinderkriegen noch etwas konnten, wollte sie sich nicht entgehen lassen. Im Stillen zählte sie die genannten Zutaten auf. Zusammengemischt waren sie hochexplosiv. Wieso sollte sie das dem Pater erläutern?
    »Sal Pestrosum, Anna, du erinnerst dich?«, half ihr Vater nach.
    Sie gab sich einen Ruck, räusperte sich, mied es aber, Canisius anzuschauen, sondern hielt ihren Blick auf die Gerätschaften gerichtet. »Sal Petrosum ist ein Mineral der Erde und wird auf Steinen, also in Ausblühungen von Steinen gefunden. Diese Erde löst man in kochendem Wasser und filtert das Ganze. Wieder und wieder muss die Substanz gekocht und gereinigt werden, mindestens einen Tag und eine ganze Nacht, bis man am Boden des Tiegels verfestigte und durchscheinende Salzblättchen findet, auch Salpeterblättchen genannt. Daher der Name …«
    »Ich weiß, ich weiß …«, unterbrach sie Canisius unwirsch, »Sal Petrae heißt übersetzt Salz aus Stein oder Fels. Auswendig gelernte Buchzitate nennt ihr Studien, Graf? Und verbringt Eure Tochter die übrige Zeit im Mist, oder warum ist sie so schmutzig?«
    Philipp gluckste und Anna schluckte. Wer von ihnen stank denn hier so ekelhaft! Erst jetzt bemerkte sie, dass sie ihre Erklärungen mit Gesten auf die Gerätschaften auf dem Tisch unterstrichen und der Pater ihre verfärbten Hände gesehen hatte. Sie wollte sich erheben und gehen.
    »Bleib!«, bat ihr Vater und hielt sie zurück. »Der Pater meint es nicht so, hab ich recht? Gelerntes auf Abruf herzusagen, ist auch eine Kunst, die wenige beherrschen. Ist es einem Mann der Kirche überhaupt erlaubt, sich an einem Leuchtspektakel zu ergötzen?«
    »Wie kommt Ihr darauf, dass ich es anwenden will? Mich fesselt lediglich der Fortschritt und Eurer Anteil daran, Graf.« Jeden aus der Familie hatte Canisius auf seine Seite gezogen. Vater gaukelte er Wissensdurst vor. Womit lullte er Philipp ein? Vielleicht sollte er Jesuit werden wie er? Nur bei Sidonia war es ihm bisher nicht geglückt. Wenn der Pater sie ansprach, täuschte ihre älteste Schwester stets Kopfschmerz vor und bat sich zurückziehen zu dürfen. Vielleicht sollte Anna das auch tun.
    »Nun, wenn Ihr lieber ein Feuer wollt, das durch die Luft fliegt …«, erklärte Vater. »Dann nehmt einen Teil Kolophonium, das müsste hier irgendwo sein, und ebenso viel natürlichen Schwefel, den zwackt Ihr am besten dem Höllenfürst ab, bevor er sich

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