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Im Labyrinth der Fugge

Im Labyrinth der Fugge

Titel: Im Labyrinth der Fugge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abe
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Mechthild von dem Lärm nicht aufgewacht. Ein Tuschebach ergoss sich über das Papier, die Hände, das Pult hinab und verlor sich in Annas schwarzem Kleid. Die Schlieren auf dem Pult griffen vielarmig ineinander und verharrten, im Kerzenlicht glänzend, auf dem Bütten. Anna wischte mit beiden Händen über ein Blatt nach dem anderen, half mit dem Ärmel nach, bis kein weißer Fleck mehr sichtbar und der ganze Papierstapel durchtränkt war. Die Tusche trocknete auf ihren Händen und versiegelte ihre Finger wie eine zweite Haut. Alles war durch und durch schwarz, wie die Dunkelheit in ihr.

40. Der Schlund
    Die Trauerkutschen waren abgefahren und die Schaulustigen hatten sich zerstreut. Kellenbenz ging durchs Herrenhaus nach draußen und hielt nach dem Mädchen mit den grünen Augen Ausschau. War sie es gewesen, die er damals in der Teufelsnacht, vom Dach aus, gesehen hatte? Hatte sie seine Zeichen verstanden und floh? Doch außer den Bediensteten, die mit gestärkten Hauben zwischen den vielen Räumen hin und her hasteten, sah er niemanden. Nur mit Mühe schleppte er sich zu seiner Karre beim Pferdestall. Darin war die wilde Frau wie ein Tier festgebunden gewesen. Er dachte oft an sie. Ihre strohgelben Haare, die weichen Brüste unter dem dünnen Hemd. Wahrscheinlich war sie längst als Hexe verbrannt worden. Da war etwas in ihrem gehetzten Blick gewesen, das ihn an seine verstorbene Frau erinnerte. Genauso hatte Margit geschaut, als jede Hoffnung für Roland und August, ihre Söhne, vergebens gewesen war. Und nun hatte er geglaubt, Bianka würde bei den Fuggern aufwachsen. Dabei war das Kind, das gestorben war, wirklich ein Fuggerkind gewesen. Das fuggerische Lachen klang ihm wieder in den Ohren. Mit seiner Verbohrtheit hatte er dem Teufel und seinen Dienern erst recht zugearbeitet. Er betrachtete seine Hände. Was hatte er getan? Anstatt zu helfen, hatte er alles verdorben. Genauso gut hätten sie ihm damals die Hände abschlagen können.
    Ein Schlund tat sich in seinem Inneren auf und die Einsamkeit legte sich wie Sülze über seine Knochen. Bianka war vermutlich schon lange im Pestberg verscharrt. Nie würde er es herausfinden. Er schlurfte zum Anker, wollte seine Wut in einem Humpen Bier oder zwei ertränken. Es war Nachmittag und der Schankraum leer. Knurrend erhob sich der Wirt aus seinem Mittagschlaf. Wenigstens musste Kellenbenz hier nicht stammeln. Der Ankerwirt war es gewohnt, die Wünsche seiner Gäste von ihren zittrigen Gesten oder blutunterlaufenen Augen abzulesen. Sobald einer mit dem Beutel klimperte, maß er den Durst am Klang der Münzen ab. Beim Anblick von Kellenbenz’ neuem Ledersäckel, das er gerade verdient hatte, pfiff er sogar seine Frau in der Küche wach. »Einen Humpen Starkbier, einen Enzian und kratz die Tiegelreste zusammen«, befahl er.
    Wenig später rann Kellenbenz der bittere Hefesaft die Kehle hinab, betäubte zusammen mit Bratensoße und Weißbrotkrumen sein Inneres. Nach und nach breitete sich eine dumpfe Wärme in ihm aus, verdrängte den falschen Fugger und den Dolch, den er dort gelassen hatte. Gegen Mitternacht füllte sich der Schankraum. Kellenbenz hatte sich sogar die Wirtin schön gesoffen, zog sie sich bei jedem neuen Humpen auf den Schoß und stellte sich beim Anblick ihrer dunkel behaarten Waden den blonden Flaum an den Beinen der wilden Frau vor. Beim Würfelspiel gewann er gegen einen Einarmigen und bemerkte erst im Gegröle, dass das Affenarmband an seinem Handgelenk fehlte. Nun hatte er alles verloren.

41. Die Tintenblasen
    Am nächsten Morgen erwachte Anna quer überm Bett und wusste nicht mehr, wann sie eingeschlafen war. Mechthild war längst aufgestanden und auch Donnas Käfig war leer. Erst als sie ihre schwarzfleckigen Hände und das Trauerkleid, das sie noch immer trug, bemerkte, fiel ihr alles wieder ein. Sie griff zum Affenanhänger. Der Kürschner hatte ihr etwas mitteilen wollen, aber was? Wenn sie einfach Severin fragte? Nur, würde sich Vaters Diener ihr anvertrauen? Genauso gut könnte sie ihn bitten, sie gleich zu erstechen wie den Teufelsmönch in der Küche. Auf dem tuscheverschmierten Schreibpult waren helle Handabdrücke zu sehen. Sie stand auf und hielt die schwarz gefärbten Blätter ans Fenster. Gegen das Licht betrachtet, waren manche Seiten voller Muster und nicht durch und durch schwarz. Eine Pusteblume oder eine Schneeflocke. Eher Rußflocken, sie musste wieder an Schellebelle denken und schob die Blätter zusammen. Hatte ihr Vater

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