Im Labyrinth der Fugge
wieder mal aus dem Staub macht, und Ihr habt ›Sal Petrosum‹.« Er lachte schallend, wie es auch seinen Brüdern eigen war, dumpf und aus dem Bauch heraus.
»Und das vermische ich dann alles?« Canisius ignorierte den teuflischen Seitenhieb.
»Versucht es hiermit.« Er reichte ihm einen Mörser und einen Stößel. »Ihr müsst es erst pulverisieren und mit Leinöl oder besser Lorbeeröl mischen, bis Ihr eine Paste habt. Wenn Ihr das in ein Schilfrohr oder einen ausgehöhlten Stab füllt und es entzündet, habt Ihr Eurer Höllenspektakel, Pater.«
»Jaja, frevelt nur, Graf. Ich frage mich, woher Ihr das alles wisst und wieso Ihr es auch noch an Eure Kinder weitergegeben habt?«
»Ihr meint, ich sei ein Fall für die Inquisition? Dann dürfte es für die Ratsoberen auch von Belang sein, wozu ein Beichtvater Griechisches Feuer braucht. Seht es doch einfach so, ich forsche in den Naturkräften und Ihr in den Seelen. Aber um Eure Neugierde zu befrieden, ein Büchsenmeister hat es mir anvertraut, alles nur mündlich weitergegeben, auch wenn Anna es für mich aufgeschrieben hat.« Er zeigte auf das Buch, das Philipp sogleich weglegte, als hätte er sich die Finger daran verbrannt. »Ich habe es selbst noch nicht erprobt. Und leider kann ich Euch ›Bellifortis‹ nicht mehr zeigen.« Vater seufzte übertrieben und schlug die Beine übereinander. »Darin hättet ihr alles über die Gelüste der Männer gefunden.« Er zwinkerte Anna zu. »Eine der seltenen Kopien des Prachtwerks, das Kaiser Rupprecht von der Pfalz in Auftrag gegeben hat, konnte ich mein Eigen nennen. Es hat sich, dank Eures Zutuns, in Asche aufgelöst. Ein würdiger Tod für ein Buch über Waffenkunst, meint Ihr nicht?«
Berührte es ihren Vater gar nicht, dass seine gesamte kostbare Bibliothek in Flammen aufgegangen war? War er noch bei Trost oder hatten Wein am Morgen und die Wasserpfeifen im Keller seine Sinne betäubt? Anna biss sich auf die Lippen. Alles, was geschah, war kaum zu verkraften, vielleicht klinkte er sich einfach mit seiner ewigen Gelassenheit aus allem aus.
»Hier, Anna, Nachschub«, er griff über Philipps Kopf hinweg in eine Nische und reichte ihr einen kleinen Glaskolben. »Bister aus Eichenholz, günstiger als die getrockneten und gemörserten Tintenblasen des Oktopus, die du da verschüttet hast. Ob Bister allerdings leichter abzuwaschen ist als die Sepiatusche, weiß ich nicht.«
42. Das Säurefläschchen
Im Vollrausch wankte Kellenbenz gegen Morgen nach Hause und schlief an Liesl gedrängt ein. Von den drängenden Stößen einer wilden Frau, erwachte er aus seinem Traum. Sein Schädel dröhnte vom Suff und Liesls Gemecker. Die Ziege war es, die ihn wachgerüttelt hatte. Jetzt merkte er, dass sie fieberte und nicht mehr aufstehen konnte. Ihr Euter war klumpig wie Stein und ließ sich nicht ausdrücken. Nachdem er sich einen Kübel Wasser vom Brunnen über gekippt hatte, träufelte er der Ziege sämtliche Arzneireste seiner Frau ein. Doch das Tier schnaufte schwer, legte sich mit heraushängender Zunge auf die Seite und meckerte unentwegt. So musste er ihr schweren Herzens die Kehle durchschneiden. Er hielt sie lange, streichelte sie, bis ihre Muskeln nicht mehr zuckten und ihr Bauch steif geworden war. Nun hatte er mit seiner Nachlässigkeit auch noch sie leiden lassen. Am liebsten würde er sich selbst den Pelz abziehen und gerben. Zwischen Zorn und Verzweiflung lungerte er mal auf der Ofenbank, mal auf dem Abtritt herum und fand keine Kraft, die Arbeit wieder aufzunehmen. Ja, er mied sogar die Werkstatt, wo im Verschlag Liesls Kadaver verweste. Mit plötzlichen Wutausbrüchen vergraulte er die letzten Kunden. Das feine Getue und die umständlich vorgetragenen Wünsche ertrug er nicht mehr. Nachdem er den Brandwein geleert hatte, wollte er mit Kürschnerlaugen weitermachen und sich selbst richten. Doch er überwand sich, verätzte sich nur die Finger, als er Gerbsäure in einem Fläschchen verkorkte und zusammen mit ein paar Münzen in ein Ledersäckel an seinem Gürtel steckte.
Danach torkelte er wieder ins Stadtinnere, schlief irgendwo in einer Gasse, nachdem ihn der Ankerwirt hinausgeworfen hatte. Ihm war es gleich, so manche Nacht von den Bütteln getreten zu werden, er verkroch sich zwischen eng stehenden Häuserwänden und unter Brücken an der Wertach, Hauptsache, er musste nicht nach Hause zurück, wo niemand auf ihn wartete.
Manchmal glaubte er sich mutig genug, ins Frauenhaus zu gehen und F zu verprügeln. Aber
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