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Im Land der gefiederten Schlange

Im Land der gefiederten Schlange

Titel: Im Land der gefiederten Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carmen lobato
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Seuche in sich, die die Spanier Schwarze Kotzerei nannten, weil der Erkrankte sich pechschwarz erbrach, bis kein Funken Kraft mehr in ihm war und er elend starb. Auch davon hatte der Vater gewiss nichts gewusst. Wie mochte es ihm gehen? Stand er in Hamburg an einem Fenster und atmete die eisklare Luft, die ihm der Seewind hereintrug? Christoph hatte ihm nie geschrieben und auch nie einen Brief erhalten.
    Hatte er an das Paradies unter Zypressen, das der Vater ihm versprach, an die riesigen Märkte, die in Mexiko auf ausländische Waren warteten, geglaubt? Vermutlich hatte er es getan, hatte sich an der Hoffnung festgehalten und die sonnendurchfluteten Bilder beschworen, noch als sich ihr Schiffsplatz als Koje auf dem Zwischendeck entpuppte und er sich das erste Mal Flöhe und Krätze zuzog. Es war Marthe, die nie daran geglaubt hatte, auch wenn sie nicht hatte wissen können, dass das Schiff sie in ein Land trug, das sich in ständigen Kriegen und Aufständen zerfleischte und Auslandsschulden aufhäufte, die es niemals würde zurückzahlen können.
    Ihr Paradies unter Zypressen war keine Hölle, dazu war seine seltsame, bittere Schönheit zu begehrenswert. Aber es erwies sich als ein Fegefeuer, in dem jeder, der nicht aus feuerfestem Stahl war, verglühte. Weder Christoph noch seine Schwester Vera waren aus feuerfestem Stahl gewesen.
    Ein Geräusch ließ ihn herumfahren. »Bist du fertig? Holst du die Kinder? Ich richte rasch Blumen für deine Schwester.« Inga hatte den Kopf in den Türspalt gesteckt und zog ihn schon wieder zurück.
    Christoph blies die Kerze aus und ging hinüber zur Kinderstube. Eine Zeitlang hatten sie ein Mädchen für die Kinder gehabt, doch nach dem Kuchenkrieg hatten sie es entlassen müssen. Daher war Josephine angewiesen worden, auf ihre wilden Zwillingsbrüder achtzugeben, und Christoph war überzeugt, dass sie diese Aufgabe hervorragend meisterte. Seine Kleine war zart wie ein Kind von fünf Jahren, jedoch vernünftig wie eines von zehn. So beschwerlich Christoph den Umgang mit seinen Söhnen und Neffen fand, so erfreulich fand er ihn mit seiner sanften Tochter und seinem Patentöchterchen, dem Irrwisch Katharina.
    Er zog die Tür der Kinderstube auf, und Jubel schlug ihm entgegen. »Ist es so weit? Gehen wir zur Bescherung?« Die beiden Jungen, die sich vor Aufregung kaum zu halten wussten, stürzten ihm entgegen, und hinter ihnen stand mit ihrem ruhigen Lächeln Josephine. Im Handumdrehen hellte seine Stimmung sich auf. Mit welchem Recht blies er Trübsal, hatten sie nicht schon vieles erreicht? Seit Peter Lutenburg in die Familie eingeheiratet und sowohl Christoph als auch seinem Vetter Fiete unter die Arme gegriffen hatte, war es aufwärtsgegangen – und mit Fleiß und Zähigkeit würde es weiter aufwärtsgehen.
    Auch wenn die ständigen Kämpfe und Revolten zermürbten, auch wenn sie derzeit wieder jeden Peso dreimal wenden mussten – besaßen sie nicht ihr eigenes Haus und Geschäft, waren ihre Kinder nicht so gut geraten wie Hamburger Kinder, würden sie bei Peter und Marthe nicht Gans mit Grünkohl essen und um eine Bergtanne sitzen wie in der Heimat um die duftende Fichte?
    Man muss auch einmal vergessen können, gebot er sich. Einen Strich ziehen und ruhen lassen, was nicht mehr zu ändern ist. »Ja, es ist so weit«, gab er mit betonter Munterkeit seinen Söhnen Antwort. »Auf die braven Kinder wartet die Bescherung, doch den schlechten, denen wird es übel ergehen …« Dabei lachte er, um seinen Kindern zu zeigen, dass sie nichts zu fürchten hatten.
     
    »In diesem Liverpool sind wir also an Bord gegangen, auf einen Windjammer, der bei der kleinsten Welle quietschte und knatterte.« Fiete Hartmann strahlte beifallheischend in die Runde, ehe er Atem holte und weitersprach. »Unsere Königinmutter behauptete steif und fest, sie halte es keine zwei Stunden aus, doch was meint ihr wohl, wie lange es gedauert hat, bis wir wieder festen Boden unter den Füßen hatten? Na? Wie lange hat es gedauert?«
    Jemand stöhnte. Christoph wandte den Kopf und sah, dass es Traude war, die die Geschichten ihres Schwagers vermutlich noch häufiger gehört hatte als alle Übrigen. Seine Mutter Hille thronte in der Tat wie eine Königinmutter im Sessel und sah mit verächtlicher Miene zur Seite, als würde dieser Sohn nicht zu ihr gehören. Es war immer dasselbe mit Fiete. Er erzählte seine ewig gleichen Anekdoten und Histörchen, sobald er das erste Glas Alkohol geleert hatte. Es war, als

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