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Im Land der gefiederten Schlange

Im Land der gefiederten Schlange

Titel: Im Land der gefiederten Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carmen lobato
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würde ein Pfropfen in dem Mann stecken, und sobald der gezogen war, sprudelte eine Fontäne heraus. Von den Erwachsenen hörte keiner zu, aber die Kinder, die inmitten von Spielzeug und Naschwerk zu Fietes Füßen saßen, hatten ihren Spaß. Christoph wusste, dass Katharina Fiete den lustigen Onkel und ihn den traurigen nannte.
    Sie war ihm entgegengesprungen und hatte schon auf der Treppe gerufen: »Frohe Weihnacht, trauriger Onkel Christoph! Weißt du was? Die Sanne und ich haben den Kuchenmännern Lachgesichter gemalt, damit du heute nicht traurig bist.« Christoph musste schmunzeln, als er nach den Kuchenmännern sah, die zwischen Kerzen an der deckenhohen Tanne baumelten. Die Wärme der Flammen ließ den Sirup tropfen, so dass die Teiggesellen mit ihren hängenden Mundwinkeln einem traurigen Onkel Christoph ähnlicher sahen als einem lustigen Onkel Fiete.
    Dabei war er doch heute gar nicht traurig. Er hatte sich vorgenommen, den Abend zu genießen, die Nähe seiner Familie, den Lichterglanz des Baums und die Uhr, die auf dem Kaminsims stand und, sooft sie jemand aufzog, »Ich steh an deiner Krippen hier« spielte. Marthe hatte sie sich aus der Heimat schicken lassen, um der Familie eine Spur vom Geist der Weihnacht herzuholen. Die Uhr sollte als Ersatz für Kirchenglocken und Andacht dienen, denn protestantische Gottesdienste gab es nicht in Mexiko. Genau genommen war die Ausübung ihrer Religion sogar verboten, doch niemand kümmerte sich darum, nach welcher Vorschrift Ausländer beteten.
    Marthe konnte keinen Gottesdienst abhalten, aber sie hatte doch alles getan, um für diesen einen Abend die Heimat heraufzubeschwören. Die Kinder waren eins nach dem anderen mit einem silbernen Glöckchen zum Baum gerufen worden, sie hatten in ordentlichem Deutsch ein Verslein aufgesagt und dafür ihr Geschenk erhalten. Anschließend war ein Essen aufgetischt worden, das duftete, als läge draußen kniehoch Schnee und als würde das Meer in einem Wintersturm toben.
    Christoph hatte sich bemüht, sich den Gänsebraten schmecken zu lassen, und von dem goldenen Rheinwein erhoffte er sich ein wenig Leichtigkeit. Vergessen können, einen Strich ziehen und ruhen lassen, was nicht mehr zu ändern ist. Einmal kein trauriger Onkel sein.
    Der lustige Onkel trieb sein Spiel mit den Kindern. »Nein, nicht du, Hermann, nicht immer der mit dem vorlautesten Mundwerk. Du, Josephine, von dir will ich diesmal die Antwort hören. Also, wie lange waren wir wohl auf See?«
    Im Licht der Kerzen sah Christoph, wie seine Tochter bis unter die weißblonden Haarwurzeln errötete. Sie war schüchtern wie ein Fluchttier, und weder Ermunterung noch Strenge halfen.
    »Ich höre nichts, liebe Jo!«, flötete Fiete und legte sich die Hand ans Ohr. »Nichts und wieder nichts!« Seine älteren Söhne – Hermann und Sievert – lachten, und Felix, der Jüngste, blickte von der Schachtel mit Farbstiften, die er einem der Mädchen entwendet hatte, auf. Die arme Josephine wurde noch röter, und Christoph verspürte den brennenden Wunsch, ihr zu Hilfe zu eilen.
    »Lass doch Jo in Frieden, Onkel Fiete!« Katharina, die im selben Alter, aber alles andere als schüchtern war, trat zu ihr und legte ihr den Arm um die Schultern. »Sechs Wochen wart ihr auf See, und unterwegs sind euch von der Hitze die Bierflaschen geplatzt, das erzählst du uns doch jedes Mal. Weshalb soll also Jo es dir sagen?«
    Alles lachte, selbst die meisten Erwachsenen. »Nicht von schlechten Eltern, die Krabbe«, brummte Hille Hartmann. Von der Königinmutter war das ein beachtliches Kompliment.
    Einzig Traude fand nichts zu lachen. »An Zucht fehlt’s dem Balg«, hörte Christoph sie hinter sich murmeln. »Mit Geschenken wird sie überhäuft wie ein Engelchen, dabei bekämen Prügel ihr weit besser.«
    Christoph wollte für Kathi in die Bresche springen, versagte aber, wie er bei seiner Tochter versagt hatte. Stattdessen sprach Peter, ein Mann, der so ruhig war, dass man jedes Mal erschrak, wenn er die Stimme hob. »Meine Palomita ist ein Engelchen«, hielt er fest. »Sie ist das Licht in meinem Haus, und an Geschenken bekommt sie, was sie sich wünscht.«
    »Glaubst du, du tust dem Kind damit Gutes?«, fauchte Traude.
    »Aber ja doch«, erwiderte Peter. »Und du schimpfst mein Kind nie wieder ein Balg, oder du bist unter meinem Dach nicht mehr Gast.«
    Mit einem Schlag wich die Farbe aus Traudes Gesicht. Jetzt bricht sie den Pakt, durchfuhr es Christoph. Den Pakt, der uns

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