Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)
Tagesritte.« Margarete biss sich auf die Unterlippe. Sie schien mit sich zu ringen. »Ich werde mit Juan sprechen. Und mit meiner Großmutter. Spätestens in zwei Tagen brechen wir auf. Vorher muss ich noch einiges klären.«
48
»Elise, ich muss mit Ihnen reden. Allein.« Juan stand vor ihr. Sein Gesicht so ernst, dass Elise das Schlimmste befürchtete. Seit sie hier waren, hatte sie den Indio-Jungen schätzen gelernt. Juan war der ruhende Pol in Margaretes unsicherer Welt. Ihr Vater hatte Elise und Georg nur kurz begrüßt und sich dann wieder zurückgezogen. Minna Seler war mit ihren Orchideen beschäftigt und Alice Dieseldorf ging immer wieder die Zahlenkolonnen für die bevorstehenden Preisverhandlungen durch.
Elise und Georg liefen auf Zehenspitzen durch das Haus und fürchteten dennoch, stets zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Daher hatten sie viele Stunden gemeinsam auf den Kaffeefeldern verbracht, wo Elise endlich den Mut fand, Georg von dem Brujo und ihrem gebrochenen Versprechen zu erzählen.
»Es ist nicht deine Schuld.« Georg hatte sie tröstend in den Arm genommen. »Mach dir keine Vorwürfe. Deine Eltern hätten es besser wissen müssen. Und ich auch.«
Heute nun hatten sie endlich nach Xela aufbrechen wollen, doch wieder war eine geschäftliche Angelegenheit dazwischengekommen, die Margaretes Anwesenheit erforderte. Elise lief im Salon auf und ab und rang die Hände. Als Juan sie nun ansprach, erwartete sie, dass sich all ihre Befürchtungen erfüllten. »Meine Eltern?« Sie konnte die Worte nicht aussprechen. Sie wollte die Worte nichtaussprechen. Aber sie konnte auch nicht in Ungewissheit leben. Elise holte tief Luft. »Sind sie …? Sind sie …?«
»Nein. Nein.« Juan schüttelte den Kopf und wirkte überrascht und erschrocken. »Entschuldigen Sie. Ich wollte Ihnen keine Angst machen.«
»Elise? Ist irgendetwas?« Georg stand auf und stellte sich neben sie und musterte Juan mit kühlem Blick. Seitdem sie gemeinsam vor den Banditen geflohen waren, fühlte er sich für Elise verantwortlich und ließ sie kaum aus den Augen. »Brauchst du Hilfe?«
»Nein, danke.« Normalerweise hätte Elise sich gefreut, dass Georg für sie eintrat wie ein Ritter in schimmernder Rüstung, aber im Augenblick konnte sie nur an ihre Eltern denken und an das, was Juan ihr zu berichten hatte. »Alles ist in Ordnung. Juan und ich müssen nur etwas besprechen.«
»Soll ich bei dir bleiben?« Georg trat noch einen Schritt näher an Elise heran, sodass sich ihre Schultern berührten. »Du weißt, wie viel mir deine Eltern bedeuten.«
»Danke. Ich schaffe es schon allein.« Elise lächelte, um Georg zu zeigen, dass sie seine Fürsorge zu schätzen wusste. »Wir reden nachher.«
Georg nickte und ging, nicht ohne Juan einen drohenden Blick zuzuwerfen. Elise musste lächeln. Männer.
»Was ist so wichtig, dass Sie es nur mir sagen können?« Elise wurde wieder ernst, als sie Juan ansah. Sie konnte verstehen, was Margarete an ihm fand. Die dunklen Augen, die schwarzen Haare und das markante Gesicht mit den auffallenden Wangenknochen ließen den Indio ausnehmend attraktiv wirken.
»Ich habe eine Botschaft für Sie.« Juan wirkte sehr erwachsen und … irgendwie … ja … fast weise auf Elise. Eswar, als ob sie mehrere Jahre trennten, nicht nur eines oder zwei. »Der Brujo möchte Sie sehen.«
Elise spürte ein Schwindelgefühl, sie musste sich setzen. Nun holten ihre Sünden sie ein. Sie rang nach Luft, straffte ihren Rücken und fragte: »Hat er meine Eltern entführen lassen? In was sind Sie da verwickelt?«
»Wie können Sie so etwas von mir denken? Wie können Sie so etwas von dem Brujo denken?« Juan wich ihrem Blick nicht aus. Er wirkte tief erschüttert über ihre Worte. »Ich habe nur mit einigen Menschen geredet, die mich weiterverwiesen haben. Das Geheimnis des Tempels muss gehütet werden, aber nicht um jeden Preis.«
»Verzeihung.« Elise sprang auf. Unruhig lief sie im Zimmer auf und ab. »Es ist nur … Ich fühle mich so hilflos und ein Tag nach dem anderen vergeht …«
»Bestimmt kann der Schamane Ihnen helfen.« Juan lächelte ihr aufmunternd zu. Doch ein Stachel des Misstrauens blieb. Wenn der Tempel den Indios so viel bedeutete, dann stellte Elise mit ihrem Wissen eine echte Gefahr für sie dar. »Ich soll Sie zu ihm bringen.«
Elise schluckte. »Ist er etwa hier?«
»Er hält sich in der Nähe auf. Sie müssen mit mir kommen. Allein.« Nach einer kurzen Pause sagte Juan:
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