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Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)

Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)

Titel: Im Land der Kaffeeblüten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Antoni
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besorgter Miene an. »Aber deine Eltern wollen den Schatz heben, den mein Volk bewahren muss. Wenn ihr Gringos auch noch diesen Tempel ausplündert …«
    In den nicht ausgesprochenen Worten schwang so viel Unheil mit, dass Elise schauderte. Sie musste den Schamanen davon überzeugen, dass sie sich geändert hatte, dass sie die Verantwortung für ihre Taten übernehmen konnte.
    »Deine Eltern. Was werden sie tun, wenn wir sie freilassen würden?« Der Brujo beobachtete sie eine Weile. »Werden sie nicht unseren Tempel Stein für Stein abtragen und mitsamt seinen Schätzen in eure Welt verfrachten? Um dort alles auszustellen? Für neugierige Augen? Für Menschen, die nicht verstehen, was die Heiligtümer für uns bedeuten?«
    Elise schwieg. Sollte sie lügen und hoffen, dass derSchamane es nicht erkennen würde? Oder sollte sie ihm die Wahrheit sagen und an seine Menschlichkeit appellieren? Konnte sie denn wirklich sicher sein, wie ihre Eltern handeln würden?
    »Ich … ich weiß es nicht«, antwortete sie schließlich. »Aber was ich weiß, ist, dass meine Eltern keine bösen Menschen sind. Sie sind neugierig und begeistert und … und sie lieben Ihre Kultur. Wirklich. Ganz ehrlich. Wenn Sie mit ihnen reden und Ihre Sicht erklären, dann hören sie bestimmt auf Sie.«
    Stimmte das? Elise zögerte einen Augenblick. Würde sie wirklich die Hand dafür ins Feuer legen, dass ihre Eltern nichts über den Tempel preisgaben? Sie dachte an ihre Mutter, an deren brennenden Ehrgeiz, eine bedeutende Entdeckung zu machen. Der Indio schien ihr bis tief in die Seele zu blicken. Schließlich fasste Elise einen Entschluss.
    »Ich kann nicht für meine Eltern sprechen«, sagte sie mit klarer Stimme. Alle Angst war von ihr abgefallen, jetzt sah sie einen Weg vor sich, wie sie den Brujo nicht anlügen musste. »Aber ich kann Ihnen versprechen, dass ich alles tun werde, was in meiner Macht steht, damit Ihre Heiligtümer nicht mehr verschleppt werden.«
    »Du? Was kannst du tun?« Seine Worte klangen das erste Mal unfreundlich in ihren Ohren. »Du bist nur eine gegen viele. Gegen immer mehr Gringos, die plündern und stehlen.«
    »Ich kann schreiben. Ich werde hier in Guatemala bleiben und gemeinsam mit anderen Menschen für die Tempel kämpfen.« Elise redete sich in Rage. »Margarete wird mir sicher helfen. Und Juan natürlich. Ich bin zwar nur ein Mädchen, aber jemand muss ja mal anfangen.«
    Der Schamane schaute sie schweigend an. Elise erwiderte seinen Blick, ohne mit der Wimper zu zucken. Auch wenn sie das Land nicht liebte, sie würde ihr Versprechen halten. Koste es, was es wolle. Und vielleicht konnte sie ihre Eltern und Georg davon überzeugen, gemeinsam mit ihr das Unrecht wenigstens ein wenig abzumildern, das die Gringos über die Nachfahren der Maya gebracht hatten.
    »Ich schätze deinen Mut. Das habe ich ihm auch gesagt.«
    »Wer … wer war er?« Elise fürchtete die Antwort, fürchtete, dass der Alte sehr wichtig war und ihre Eltern zu einem schrecklichen Schicksal verdammen konnte. »Ist er auch ein Schamane?«
    »Er ist ein wichtiger Maya-Priester.« Der Brujo schaute sie ernst an. Elise schluckte. »Er will deinen Eltern nicht helfen, weil er in großer Sorge um den Tempel ist. Ich aber vertrete die Ansicht, dass Menschen wichtiger sind als Steine.«
    »Ich danke Ihnen sehr«, flüsterte Elise. »Ich werde mein Versprechen halten, denn ich stehe in Ihrer Schuld.«
    »Reise nach Xela. Wir werden dich finden.« Mit einem Nicken verabschiedete sich der Schamane von Elise.
    »Warum Xela?«, fragte sie noch schnell und machte einen hastigen Knicks als Zeichen der Dankbarkeit und des Respekts.
    »Es ist so bestimmt. Aber bleibt nicht zu lange dort.«
    Elise fröstelte. Etwas in der Miene des Brujo sagte ihr, dass er nicht mehr sagen würde. Sie nickte ihm zu und verließ die Hütte.
    »Wir müssen nach Xela«, sagte sie zu Juan, der draußen auf sie wartete und eine Spur im Staub des Weges hinterlassen hatte. »So schnell wie möglich.«

49  Bremen 2011
    »Unglaublich!« Julia stieß den Atem aus, den sie während der letzten Sätze angehalten hatte. »Die kleine Elise stellte sich einem Schamanen. Respekt. Respekt.«
    Isabell legte das Heft zur Seite. Auch sie wirkte überrascht. »Das erklärt ja einiges.«
    »Was meinst du?« Julia hob eine Augenbraue.
    »Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, warum Elise in Guatemala geblieben ist, wo sie dort doch so unglücklich war.« Isabell fuhr sich mit der Hand durch die

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