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Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)

Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)

Titel: Im Land der Kaffeeblüten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Antoni
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gestern im Halbschlaf nicht Traum und Wirklichkeit verwechselt hatte.
    Und da erblickte sie ihn. »Ich hatte recht«, triumphierte sie – und war im nächsten Augenblick an einem Ast hängen geblieben. Zu spät, die Indios hatten sie gehört und drehten sich zu ihr um. Da trat sie zögerlich in den Schein der Flammen und lächelte. Im Feuer lagen bunte Kerzen und der ältere Mann streute etwas in die Flamme. Kurz darauf roch es seltsam. Wie nach Karamell.
    Die Männer musterten sie schweigend, bis Elise sich unbehaglich fühlte und den Blick abwandte.
    »Es ist nur das Kind«, sagte einer der Träger.
    »Ich bin kein Kind mehr!«, empörte sie sich. »Ich bin fast erwachsen.« Immerhin könnte sie heiraten und Kinder bekommen, obwohl sie erst in fünf Jahren offiziell volljährig war.
    »Du hast recht. Entschuldige.« Der fremde Indio lächelte sie an. »Man sollte Menschen nicht nach dem Alter beurteilen, sondern nach ihrer Klugheit.«
    Elise nickte. »Was haben Sie da in die Flammen gestreut?«
    »Eine Opfergabe, um die Götter gnädig zu stimmen.« Aus seinem Mund klang das vernünftig und selbstverständlich. »Ich bin ein brujo, ein Schamane.«
    »Ein … ein Hexer?«, platzte sie heraus und hob erschrocken die Hand vor den Mund. Würde er sie jetzt verfluchen? Sie erinnerte sich daran, dass ihr Vater erzählt hatte, dass ein Brujo Menschen Schlangen in den Bauch hexen könnte.
    »Keine Sorge.« Sein Lächeln wurde breiter und er wirkte dadurch deutlich freundlicher. »Ich bin kein Zauberer, eher ein Priester.«
    Diese Neuigkeit musste Elise erst einmal verdauen. Fieberhaft überlegte sie, was sie über die Maya und die Indios wusste. Der Geruch nach verbranntem Zucker benebelte sie und sie musste schlucken. »Ich … ich dachte, es gibt keine Maya mehr.«
    Obwohl der Brujo lächelte, konnte Elise ihm anmerken, wie sehr ihn ihre Worte getroffen hatten.
    »Was glaubst du, wer wir sind?«, fragte er mit leichtem Tadel in der Stimme und beobachtete Elise mit seinen dunklen Augen so intensiv, dass sie sich fühlte, als ob er in ihre Seele blicken würde. »Wir sind die Kinder der Maya. Aber nur wenige von uns folgen den alten Pfaden.«
    Die Männer schauten Elise erwartungsvoll an, aber was sollte sie sagen? Die Stille wurde unerträglich.
    »Was … was machen Sie hier?«, fragte Elise schließlich und versuchte, die Worte freundlich klingen zu lassen.
    Der Brujo und die Träger wechselten einen Blick. Dannseufzte der Schamane: »Menschen wie deine Eltern meinen es gut, aber Sie stehlen unser Erbe. Sie tragen die Steine unserer Vorfahren in ihr Land und rauben uns dadurch unsere spirituelle Kraft.«
    Elise dachte nach. Hatte der Mann etwa recht mit seinen Vorwürfen? Waren ihre Eltern und die anderen Forscher nicht besser als zum Beispiel die Grabräuber in Ägypten, von denen sie schon gehört hatte?
    »Wollen Sie …« Ihre Stimme klang ängstlich. Es gab nicht viele Möglichkeiten, wie die Indios ihre Eltern aufhalten konnten. »Wollen Sie uns töten?«
    Elise knetete ihre Hände. Sollte sie um Hilfe schreien oder würde sie damit erst recht den Zorn der Indios auf sich ziehen?
    »Keine Sorge.« Wieder lächelte der Schamane sie an und Elise meinte, leichten Spott in seinen Augen zu erkennen. »Wir halten nichts von Mord. Mit den Kerzen bitten wir unsere Götter um Beistand. Sie sollen deinen Eltern Einsicht schenken.«
    Elise bezweifelte, dass ein paar Kerzen genügen würden, um ihre Mutter von ihrem Vorhaben abzubringen, hielt es jedoch für klüger, dem Brujo nicht zu widersprechen.
    Wieder durchdrang der Schamane Elise mit seinem Blick. »Ich bitte dich, deinen Eltern nichts von mir zu erzählen.«
    Sie schauderte.
    »Sie würden meine Brüder hier bestrafen, obwohl wir nichts Böses getan haben.«
    Nun schauten auch die Träger Elise an. Bittend. Sie sah von einem zum anderen und hob schließlich die Hände. Die Männer begannen in ihrer Sprache schnell miteinander zu reden, was Elise noch stärker beunruhigte.
    »Ich verspreche es«, sagte sie und legte die linke Hand aufs Herz und hob die rechte zum Schwur. »Bei allem, was mir lieb ist. Ich werde schweigen.«
    »Vielen Dank«, sagte der Brujo mit getragener Stimme. Er wandte sich an die Träger und sagte etwas in einer Sprache, die sie nicht verstand. Die Träger nickten. »Nun geh schlafen. Du hast eine anstrengende Reise vor dir.«
    Elise nickte, stand auf und eilte zurück zum Zelt. Fragen schwirrten ihr durch den Kopf wie Moskitos, aber sie

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