Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)
erreichte, war ihr Gepäck bereits in den Satteltaschen verstaut und drei schmale Säcke, die die Indios tragen sollten, waren gepackt. Die drei Männer, die kaum größer als Elise waren, saßen wartend auf dem Boden. Ihre bronzefarbenen Gesichter zeigten keine Regung. Henni Hohermuth sagte etwas zu ihnen und die indianischen Träger sprangen auf. Zu Elises Überraschung luden sich die Männer die Säcke auf den Rücken und zurrten ein Band, ein mecapal, das sie sich um die Stirn banden, daran fest.
Jetzt fehlten nur noch die Pferde. Elise schluckte. Wie auf ein Stichwort bog Georg mit den Tieren um die Ecke.
»Was ist das?« Elise deutete auf die drei Pferde und ein Tier, das aussah wie ein übergroßes Pony mit überlangen Ohren. Es starrte sie an und öffnete das Maul zu einem breiten Gähnen. Elise schauderte, als es einen Blick auf die gewaltigen gelben Zähne freigab.
»Das ist ein mula, ein Maultier. Der Vater war Pferd, dieMutter eine Eselin oder umgekehrt. Ich kann mir das nicht merken. Frag deine Mutter.« Ihr Vater schaute aus seinem Buch auf und rückte die Brille zurecht.
Mit Grauen erinnerte Elise sich an die drei, vier Reitstunden, die sie in Bremen genommen hatte, einfach, weil es dazugehörte. Sie hatte sich nie an das Gerüttel auf dem Pferderücken gewöhnen können.
»Ich kann nicht reiten«, gestand sie kleinlaut. Warum nur fühlte sie sich auf der ganzen Reise stets als Ballast, den ihre Familie mitschleppen musste? Alles, was sie gelernt und gelesen hatte, erwies sich hier als nutzlos und unbrauchbar. »Ich meine … ich hatte mal Reitstunden, aber nur ein paar.«
»Das ist ganz gut so«, antwortete Henni Hohermuth zu Elises Überraschung. »Menschen, die richtig reiten können, leiden in den ersten Tagen unter Muskelkater. Du wirst auf dem Mula sitzen wie ein Sack Kartoffeln und kaum Schmerzen haben.«
»Aber warum kann ich nicht eins der Pferde haben?«
»Mulas sind ruhiger und trittsicherer als Pferde. Und nicht so hoch. Ich dachte, das gefällt dir.«
»Gibt es keinen Damensattel?« Elise schluckte. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, mit gespreizten Beinen wie ein Mann zu reiten. »Ich habe noch nie …«
»Kleines, hier in Guatemala zählt weniger die Schicklichkeit als das Praktische.« Ihre Mutter zuckte mit den Schultern. »Glaube mir, ein Herrensattel ist viel bequemer.«
Elise fühlte sich wie ein Häufchen Elend. So sehr wünschte sie sich eine freundliche und verständnisvolle Mutter, die sie tröstend in den Arm nahm und ihr sagte, dass sie nie etwas zu tun hätte, was sie nicht wollte. Stattdessen musste siesich mit Henni Hohermuth herumschlagen, für die manche Fragen nicht einmal einer Diskussion würdig schienen. Elise war nicht mutig, also musste sie auf dem Mula reiten. Punktum.
Sie straffte den Rücken, zog die Nase noch einmal hoch und ging mit festen Schritten auf das Maultier zu.
»Braves Pferd. Schönes Pferd. Feines Pferd«, sagte sie mit beruhigender Stimme und das Maultier wiegte sich in den Vorderbeinen, als ob es sich für seine Reiterin vorbereiten wollte. Es bewegte die Ohren abwechselnd nach vorn und nach hinten und schien Elise voller Interesse zu lauschen.
»Du solltest ihm etwas zu essen anbieten, wenn du dich mit ihm anfreunden willst«, erklang Georgs Stimme hinter ihr. Sie ignorierte ihn und sprach weiter auf den Mula ein. »Ehrlich, gib ihm einen Apfel und er wird dich ewig lieben.« Er hielt ihr einen schrumpeligen Apfel hin, den sie mit einem Kopfnicken entgegennahm.
Georg beobachtete sie, ein Lächeln in den Augenwinkeln. »Schau nur, er ist schon ganz aufgeregt.«
Ganz vorsichtig streckte sie die Hand mit dem Apfel aus und er nahm die Leckerei mit seinen weichen Lippen. Elise kraulte dem kauenden Tier die Stirn.
»Wie willst du ihn nennen?«, fragte Georg, der jetzt auf den Hals des Maultiers klopfte. Er schien überhaupt keine Angst zu haben, worum Elise ihn glühend beneidete.
»Hat er denn keinen Namen?« Elise musterte ihr Reittier. »Ich will ihn nicht verwirren.«
»Die Indios geben den Tieren keine Namen.« Georg zuckte die Schultern. »Es lohnt sich wohl nicht.«
»Ich werde ihn Nemo nennen, weil er mich an den Kapitän aus Jules Vernes Buch 20.000 Meilen unter dem Meer erinnert.« Sie streichelte den Mula. »Schließlich ist er stolz und einzig unter den Pferden.«
Georg schüttelte den Kopf, aber sein Lächeln zeigte Elise, dass er sie verstand. Vielleicht würde die Reise ja doch nicht so schlimm,
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