Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)
würde wohl noch einige Zeit warten müssen, bis sie die Antworten erhielt.
N ach einem kräftezehrenden Ritt erreichten sie gegen Abend völlig erschöpft ein kleines Indio-Dorf. Ein Dutzend Hütten verteilten sich um den Dorfplatz, aber es war niemand zu sehen. Bisher waren ihnen noch in jedem Dorf Kinder entgegengesprungen, hatten ihnen Tand hingehalten, den sie verkaufen wollten. Frauen waren ihnen gefolgt und boten ihnen Waren an. Meist Essen oder Getränke, selten eine handgewebte Decke. Elise spürte etwas Bedrohliches.
Die kleine Gruppe hielt auf dem Marktplatz.
»Wir brauchen Maisstroh für die Pferde und eine Unterkunft.« Henni Hohermuth gähnte. Zum ersten Mal auf ihrer Reise wirkte sie kraftlos und damit menschlich auf ihre Tochter. »Ich werde den alcalde suchen und ihm unser Schreiben zeigen.«
»Soll ich dich begleiten?« Auch in Johann Hohermuths Gesicht hatten die Anstrengungen der Reise Spuren hinterlassen. Sein Bart sträubte sich in alle Richtungen. »Vielleicht ist es besser, von Mann zu Mann zu reden.«
»Wenn mich mein Verhandlungsgeschick im Stich lässt, rufe ich dich.« Henni Hohermuth warf ihrem Mann eine Kusshand zu und ritt langsam über den Marktplatz. Sie rief etwas in einer Sprache, die Elise nicht verstand, und wie aus dem Boden gewachsen, tauchte ein Indio vor ihr auf.
Henni Hohermuth sprang vom Rücken ihrer Stute und redete auf ihn ein. Der Mann deutete mit der Hand auf ein Haus am Ende des Weges und Henni folgte ihm.
Georg und Elise hielten ihre Tiere an, froh, von ihren Rücken gleiten zu können und endlich wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Elise sandte ein Stoßgebet zum Himmel, dass sie dieses Mal eine Unterkunft finden würden, die diesen Namen auch verdiente.
Endlich kam ihre Mutter zurück, den Hut in den Nacken geschoben, die Zügel der Stute locker in der Hand.
»Wir müssen in der ermita übernachten. Angeblich gibt es sonst keine Möglichkeit für uns.«
Elise schluckte. Wenn der Ort ihrer Mutter schon nicht gefiel, was würde sie dann davon halten?
»Hier … hier sollen wir schlafen?«, brachte sie schließlich hervor. Eine offene Hütte, mit Palmblättern bedeckt. Ein Ort, der ein wenig Schutz vor Regen bot, aber keinerlei Sicherheit gegen Insekten, Skorpione und Schlangen. »Ich … kann hier nicht auf dem Boden liegen.«
»Das verlangt ja auch keiner von dir.« Henni Hohermuth klang ungeduldig und Elise fragte sich, ob es ihre Mutter inzwischen bereute, sie mitgenommen zu haben. »Wir knüpfen die Hängematten auf und spannen Moskitonetze darüber. Damit sollten wir vor den meisten Plagegeistern Ruhe haben.«
Nachdem Elise ihre Vorbereitungen für die Nachtgetroffen hatte, setzte sie sich ans Feuer. In dem Eisentopf gluckerte ein Eintopf vor sich hin.
Elise würgte den Brei hinunter, ohne viel zu schmecken, trank noch etwas Wasser und verabschiedete sich dann von den anderen. Sie notierte noch ein paar Dinge in ihrem Tagebuch, dann fiel sie in einen ruhelosen Schlaf.
S chnell, wir müssen hier raus!« Johann Hohermuth zerrte an ihrer Hängematte. »Georg! Elise! Kommt!« Ein dumpfes Grollen ertönte.
Sie lauschte dem anwachsenden Donnern, unfähig, sich zu bewegen, und beobachtete das schwankende Dach. Ihr Herz klopfte bis zum Hals und sie spürte ein flaues Gefühl im Magen. War heute der Tag, an dem sie sterben würde?
»Beeil dich!«, mahnte Georg, doch Elise war starr vor Entsetzen. Ohne lange nachzudenken, drehte der Junge die Hängematte um und Elise fiel in den Schlamm. Georg zerrte sie hoch und sie liefen hinaus zu ihren Eltern, die vor der Hütte versuchten, die panischen Tiere zu beruhigen.
»Was … was war das?«, schrie Elise. »Um Himmels willen, was war das?«
»Ein Erdbeben. Nur ein kleines«, antwortete ihre Mutter mit gewohnt ruhiger Stimme. Brachte diese Frau denn gar nichts aus der Fassung? »Das gibt es hier öfter.«
»Wie gefährlich sind die Beben?« Elise griff sich an die Kehle und räusperte sich. »Ist etwas Schlimmes passiert?«
»Nein. Nein. Nur kleinere Verwerfungen«, mischte sich ihr Vater ein.
Wenn das eine kleine Verwerfung war, wollte Elise niemals an einen Ort gelangen, der von größeren Erdbeben heimgesucht wurde.
»Die Indios sagen, dass die Gefahr vorüber ist. Wir können wieder schlafen gehen«, beruhigte ihre Mutter sie.
In der verbleibenden Nacht lag Elise wach und lauschte ins Dunkel. War sie die Einzige, der ein Erdbeben Angst machte? Sie fühlte sich vollkommen alleingelassen und fing
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