Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)
Stimme ihrer Mutter klang ungeduldig, während ihre Finger auf den Hals der Stute trommelten, die sich von dem Unmut ihrer Reiterin anstecken ließ und zu tänzeln begann. »Was soll das denn? Lass den Mozo seine Arbeit machen.«
»Nein. Nemo hat nur Angst. Und wenn man ihn schlägt, wird es nur noch schlimmer.«
»Gut.« Ihre Mutter lächelte sie plötzlich an. »Einen Versuch ist es wert.« Sie wendete ihr Pferd und ritt über den Fluss an die Spitze der Gruppe.
»Mein Armer. Was dir wohl passiert ist?« Elise streichelte Nemos Hals. »Wie bekomme ich dich nur durch den Fluss?« Sie suchte in der Satteltasche nach einem Stückchen getrockneter Mango. »Komm, Nemo. Du schaffst das schon«, sprach sie beruhigend auf das Tier ein, strich ihm sanft über die Schnauze und gab noch etwas Zügel nach. Das Tier zögerte, schnaubte und ging doch schließlich neben ihr her. »Alles wird gut. Ich bin ja bei dir.«
Nachdem sie endlich am anderen Ufer angekommen waren, stieß Elise die Luft aus. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass sie den Atem angehalten hatte.
»Steig auf. Wir müssen weiter.« Henni nickte ihr zu. »In dir steckt mehr, als man auf den ersten Blick vermutet.«
Elise spürte ihre Wangen erröten und lächelte. Sie klopfte Nemo dankbar auf den Hals, steckte ihm ein Mangostückchen zu und schwang sich in den Sattel. Georg auf seinem Fuchswallach und die Indio-Träger bildeten die Nachhut.
Endlich hielt ihr Vater seinen Rappen an, für heute würden sie rasten. Die Träger bauten die Zelte auf und entzündeten ein Feuer. Dankbar nahm Elise den gerösteten totoposte entgegen, einen getrockneten Maiskuchen, dermonatelang haltbar und deshalb ein beliebter Proviant war. Die Indios saßen etwas abseits von ihren Eltern und unterhielten sich in ihrer Sprache.
»Wohin wollen wir jetzt?«, fragte sie. »Wollten wir nicht in den Norden, nach Tikal?«
»Erst später. Jetzt geht es erst einmal nach Antigua, der alten Hauptstadt Guatemalas.« Ihre Mutter reichte Elise einen Napf mit Reis und schwarzen Bohnen. »In der Nähe gibt es einige sehr schöne Artefakte.«
»Einen alten Tempel?«, murrte Elise. »Da gibt es doch in Tikal genug, oder nicht?«
»Nein, keinen Tempel.« Ihr Vater würzte seinen Reis mit Trockenfleisch, etwas, das Elise beim besten Willen nicht essen wollte. »Wir machen einen Abstecher zu den Herreras, einer alteingesessenen Familie, die viele Schätze auf ihren Ländereien gefunden hat.«
»Schätze, die sie unbedingt im Land behalten wollen.« Henni Hohermuths Stimme klang sehnsüchtig wie stets, wenn sie von den Maya-Artefakten sprach. »Leider wollen sie uns nichts verkaufen.«
»Sie sind reich genug.« Auch Johann Hohermuth klang enttäuscht. »Wo kämen wir denn hin, wenn alle Artefakte hier im Land blieben?«
I n der Nacht erwachte Elise. Sie spürte einen Druck auf der Blase, der nicht bis zum Morgen warten konnte. Sie hasste es, wenn sie nachts aus dem Zelt in die Wildnis gehen musste. Gleichzeitig gebot es der Anstand, dass sie sich etwas abseits in die Büsche schlug, damit weder Georg noch die Indios sie sehen konnten.
Vorsichtig hockte sie sich hin, spähte ins Halbdunkelder Bäume und Büsche und lauschte ängstlich. Erleichtert richtete sie ihre Kleider und eilte zurück zum Zelt, in die Sicherheit des Feuers. War es nicht zu weit heruntergebrannt? Sicherheitshalber warf Elise zwei Äste in die Glut. Flammen loderten auf und Funken flogen durch die Luft. Aus dem Augenwinkel sah Elise eine Bewegung und wandte sich um. Etwas abseits vom Rastplatz saßen die vier Indios ums Lagerfeuer und flüsterten miteinander. Als ob sie Elises Blick spürten, schwiegen sie auf einmal und wandten ihr die Gesichter zu. Elise spürte einen Schauder den Rücken herunterlaufen und beeilte sich, wieder ins Zelt zu kommen. Sie richtete ihr Moskitonetz und schlüpfte unter die Decke. Kurz bevor ihr die Augen zufielen, setzte sich ein Gedanke in ihr fest: Hatte sie eben vier Männer am Feuer gezählt?
19
In der darauffolgenden Nacht wartete Elise, bis ihre Eltern und Georg in einen tiefen ruhigen Schlaf gefallen waren. Dann schlich sie sich vorsichtig aus dem Zelt. Sie wollte unbedingt herausfinden, ob sich nachts ein vierter Mann an ihrem Lagerfeuer einfand, und wenn ja, wer er war und was er hier tat. Sie wollte sich nicht dem Spott ihrer Eltern aussetzen und suchte nach einem Beweis, bevor sie ihnen davon erzählte. Aber einen Schritt nach dem anderen. Erst einmal musste sie prüfen, ob sie
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