Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)
und zog Isabell in das Büro, das doppelt so groß war wie Linas Wohnküche.
»Ah, die Finca.« Isabell trat näher und betrachtete die beiden Bilder. Eine Kaffeeplantage inmitten eines Cafétals und das Ganzkörperporträt einer etwa fünfzigjährigen Frau, die sich sehr gerade hielt und den Betrachter direkt ansah. Eine Dame, die Isabell sich sehr gut am Kopfende einer Familientafel vorstellen konnte oder in Verhandlungen über das Wohl ihres Unternehmens. Mit der Margarete, die sich aus Enttäuschung über eine arrangierte Ehe ins Meer stürzen wollte, hatte diese Frau allerdings wenig gemeinsam. »Gibt es Bilder von Margarete, als sie jünger war?«
»Ja, warte mal.« Julia suchte nach etwas in derBücherwand, die die gesamte Breite des Zimmers einnahm. Dunkle Holzregale, gefüllt mit gebundenen Bänden, die teuer aussahen. Nicht so wie bei Lina, wo sich in jedem Zimmer Bücher, meist Taschenbuchausgaben, auf Tischen, Sesseln oder dem Fußboden stapelten. »Hier. Eine Firmenchronik zum hundertjährigen Jubiläum 1980. Kannst du behalten. Es gibt noch jede Menge davon.«
Mit einem Achselzucken drückte sie Isabell ein in rotes Leder gebundenes Buch mit Goldprägung in die Hand.
»Oh. Welche Ehre.« Neugierig öffnete Isabell das Buch und fand ein Foto, das die junge Margarete zeigte. »Guck mal. Sie wirkt so fröhlich und strahlend.«
Cobán 1902 stand unter dem Bild.
»Komm. Ich habe Latte macchiato für uns gemacht.« Julia führte Isabell durch das Haus in ihr Zimmer. Endlich mal ein Raum, der bewohnt aussah. Was an den Klamotten liegen konnte, die im ganzen Zimmer verstreut waren. Julia sammelte sie im Vorbeigehen auf, öffnete die Schranktür und warf alles hinein. »Oder möchtest du lieber was anderes trinken?«
»Danke. Latte ist prima.« Isabell schaute sich die Bilder an den Wänden und die Bücher im Regal an. Viele davon besaß sie auch. Die üblichen Verdächtigen. Vielleicht unterschieden Julia und sie sich doch nicht so sehr, wie sie geglaubt hatte. Bis auf die Geige natürlich. In einem Geigenkasten lehnte sie an der Wand. »Jetzt zeig mal deine Geheimdokumente.«
»Hier, bitte.« Julia hob einen großen Pappkarton auf den Schreibtisch und öffnete ihn. »Zehn Ordner mit dem Wichtigsten aus dem Margarete-Archiv. Haben wir als Grundlage für die Firmenchronik verwendet.«
»Zehn Ordner?« Isabell spuckte ihren Latte macchiato beinahe wieder aus. »Wer soll das denn alles lesen? Elise hat sich wenigstens auf so schmale Hefte beschränkt«, zeigte Isabell mit Daumen und Zeigefinder an.
»Wir müssen ja nicht alles lesen.« Julia lächelte. »Nur Auszüge.«
»Mehr geht auch nicht«, sagte Isabell. »Steht denn wenigstens was Interessantes drin in den Dingern?«
»Hm«, antwortete Julia. Sie hatte einen Ordner aus dem Karton geholt und blätterte darin rum. »Komisch, nur offizielle Dokumente und Schreiben. Nichts Persönliches.«
»Okay, ich nehme mir die anderen vor.« Isabell seufzte theatralisch und baute alle Ordner auf dem Schreibtisch auf.
»Nichts. Überhaupt nichts Privates. Kein Brief. Kein Tagebuch. Nada.« Isabell stöhnte. »Margarete hatte es wohl nicht so mit dem Schreiben?«
»Mist.« Julia schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn. »Da hätte ich ja vorher daran denken können. Es sind Unterlagen, die die Firmengeschichte betreffen. Logisch, dass wir da keine persönlichen Briefe finden.«
»Und wie kommen wir an die ran?« Isabell wollte jetzt endlich wissen, wer dieser geheimnisvolle Juan war, mit dem Margarete wohl so viel verband. »Horten deine Eltern die auf dem Dachboden?«
»Nein, dafür gibt es natürlich das Archiv.« Julia packte die Ordner einen nach dem anderen wieder in den Karton. »Da können wir morgen gleich hin.«
»Und heute haben wir frei?« Isabell streckte sich. »Ich habe jetzt auch genug Papier für drei Wochen gewälzt.«
»Was planst du eigentlich nach dem Abi?«, fragte Julia beiläufig und strich sich eine Haarsträhne zurück.
»Ich?« Isabell zuckte die Schultern, weil sie sich die Frage niemals zu stellen brauchte. Für sie war vollkommen klar, wie ihr Weg aussehen würde. »Ich gehe zurück nach Guatemala. Erst für ein soziales Projekt und dann sehe ich weiter.«
»Für ein Projekt? Willst du nicht studieren oder eine Ausbildung machen?« Julia drehte den Kopf und blickte Isabell direkt an. »Was meinst du mit einem sozialen ›Projekt‹?
»So was wie ein soziales Jahr. In Guate gibt es unterschiedliche Angebote.
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