Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)
Ururgroßmütter schreiben wollen.«
»Gut, machen wir einen Plan.« Julia tippte auf das Tastaturfeld des iPads ein. »Was hältst du von einemFamilienstammbaum als Ausgangspunkt? Und dann könnten wir noch ins Margarete-Archiv. Und die Tagebücher lesen. Und Interviews mit unseren Familien führen.«
»Das klingt nach einem Haufen Arbeit. Puuh.« Isabell stöhnte. Doch wer wusste schon, ob nicht wirklich etwas Interessantes dabei herauskam? »Wollen wir uns das Ganze aufteilen?«
»Gute Idee.« Julia tippte immer noch auf ihrem iPad herum. Endlich schaute sie auf. »Was meinst du? Ist es klüger, wenn ich deine Oma interviewe und du meinen Vater? Oder bleiben wir besser in der Familie?«
Gute Frage. Isabell dachte einen Moment nach. »Pass auf. Ich spreche nachher mal mit Lina. Nenn sie bloß nie meine Oma. Das kann sie echt nicht leiden.« Isabell grinste. »Dann wissen wir schon mal, ob sie überhaupt etwas über Elise weiß. Und morgen gehen wir zur Haberkorn.«
»Ich rede mit meinem Vater.« Julia nickte und packte ihre Sachen zusammen. Sie lächelte. »Dann sind wir auf jeden Fall schon mal einen großen Schritt weiter.«
N achdem Isabell Julia verabschiedet hatte, ging sie in die Küche und schaute, ob Lina da war. Niemand zu sehen. Am Kühlschrank entdeckte sie einen Zettel.
Liebes. Überraschende Chorprobe heute. Füttere bitte die Katzen. Wird später. Warte nicht. Danke + Küsschen. Lina
A lso würde es wohl heute nichts mehr mit der Befragung. Isabell fütterte die Katzen, verteilte Streicheleinheiten und machte sich schnell ein Brot. Sie nahm den Teller und eine Tasse Chai-Tee mit nach oben in ihr Zimmer, setztesich an ihr Notebook und bedauerte einmal mehr, dass sie kein iPad besaß.
Was sie im Netz fand, konnte sie beim besten Willen nicht mit dem Mädchen aus dem Tagebuch zusammenbringen. Elise hatte Bücher geschrieben: Reiseberichte, aber auch politische Streitschriften. Über das Frauenstudium. Über den Zugang von Frauen zur Universität und über einen pfleglichen Umgang mit den Schätzen anderer Völker. Jetzt war Isabells Neugier geweckt. Wann hatte sich die kleine Neurotikerin denn in eine Kämpferin verwandelt?
21
»Maman, das ist meine Projektpartnerin Isabell.« Julia wirkte eingeschüchtert, gar nicht mehr so selbstsicher, wie sie Isabell bisher erlebt hatte. »Ihre Eltern arbeiten als Professoren in Zentralamerika.«
Julias Mutter hob eine Augenbraue. »Guten Tag, Isabell. Es freut mich, Sie kennenzulernen.« Ein knappes Kopfnicken. Dann drehte sich sie zu Julia um. »Sagte ich nicht, dass du auf der neuen Schule interessante Bekannte finden wirst?«
Irgendwie hatte Isabell sich Julias Mutter anders vorgestellt. Mütterlicher. Menschlicher.
»Guten Tag. Ich freue mich auch sehr, Sie kennenzulernen«, säuselte Isabell und lächelte mit sanftem Augenaufschlag. »Julia hat ja schon sooo viel von Ihnen erzählt.« Hoffentlich trug sie nicht zu dick auf.
»Das freut mich. Viel Erfolg bei der Arbeit.« Ein weiteres Kopfnicken und weg war sie.
Sie konnte nicht anders. Sie streckte Frau Linden die Zunge heraus.
»Oh Mann.« Julia kicherte haltlos. »Wenn sie sich umgedreht hätte …«
»Ich habe Maya-Statuen gesehen, die sich vor deiner Mutter gefürchtet hätten.« Isabell schüttelte sich demonstrativ. Dann biss sie sich auf die Unterlippe. Hoffentlich fühlte sich Julia nicht angegriffen. »Ist sie immer so … so …?«
»Beherrscht? Kühl? Unnahbar?« Julia hörte auf zu kichern und in ihrer Stimme zeigte sich eine Verletzlichkeit, mit der Isabell niemals gerechnet hätte. »Ich kenne sie nicht anders. Komm, wir gehen in mein Zimmer. Ich habe die ganzen Unterlagen schon hochgeschleppt. Ach nein, erst zeige ich dir das berühmte Margarete-Porträt.«
Isabell folgte Julia staunend durch das Haus, in das das Altbremer Häuschen ihrer Großmutter bestimmt fünfmal hineingepasst hätte. Aber tauschen wollte sie nicht. Hier wirkte alles so … so perfekt und leblos. Man fühlte sich wie in einer Möbelausstellung. Selbst den Tulpensträußen, die dekorativ in diversen Glasvasen verteilt waren, gelang es nicht, den Räumen etwas Leben einzuhauchen. Alles war aufeinander abgestimmt und durchgestylt.
»Mein Vater ist noch in der Firma.« Julia blieb vor der gewaltigen Holztür stehen. Sie lächelte Isabell an, als ob sie sich für das Haus, das Büro und alles Drumherum entschuldigen wollte. »Also kann ich dir mein Lieblingsbild zeigen.«
Vorsichtig öffnete sie die Tür
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