Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)
fuhr sie fort. »Als Zweites gibt es einen Ritualkalender, den tzolkin, der die Tage zählte.«
»Halt, halt.« Elise schwirrte der Kopf. »Zählt denn der haab nicht auch die Tage?«
»Du hast recht.« Ihre Mutter nickte. »Aber der tzolkin diente dazu, religiöse Feste zu bestimmen, und zählte zwanzig Monate mit dreizehn Tagen«
»Aber das Jahr ist doch viel zu kurz.« Elise verstand den Sinn eines Kalenders nicht, der nicht mit den Jahreszeiten übereinstimmte. »Warum wählten die Maya diese Zahlen?«
»Die Monate stehen für die zwanzig Schutzgötter und die dreizehn ist in der Maya-Mythologie das Symbol des Himmels.« Henni Hohermuth war nicht mehr aufzuhalten.»Ein Ritualkalender muss doch das Jahr nicht exakt wiedergeben, oder?«
»Aha.« Elise konnte den Sinn zwar immer noch nicht begreifen, fürchtete aber einen stundenlangen Vortrag, falls sie nachfragte.
»Das Interessanteste ist die lange Zählung, der Langzeitkalender der Maya.« Johann Hohermuth schaute seine Frau an. Sie nickte. »Der beginnt lange vor unserer Zeitrechnung. Im Jahr 3114 vor Christus. Am 13. August, um genau zu sein.«
»Was ist daran so besonders?« Elise zuckte die Schultern. »Dann beginnt er eben nicht am 1. Januar wie unser Kalender.«
»Die lange Zählung endet aber auch nicht am 31. Dezember, sondern zählt viel weiter. Nämlich vom Anfang der Schöpfung gerechnet dauert sie mehr als fünftausend Jahre.«
»Hm«, antwortete Elise und versuchte, sich einen Reim auf den Maya-Kalender zu machen. Sie musste ja nicht alles verstehen. Schließlich war die Kultur schon lange untergegangen. »Zählt heute wirklich noch jemand so?
»Am 21.12.2012 erreicht die lange Zählung mit dem Datum 13.0.0.0.0 das Ende eines Zyklus«, mischte sich ihr Vater noch mal ein. »Einige behaupten, dass damit auch das Ende der Welt vorhergesagt ist.«
»Das werden wir ja nicht mehr erleben«, scherzte Elise, trotzdem rann ihr ein kalter Schauer den Rücken hinunter.
28 Bremen 2011
»Stimmt es wirklich, dass die Maya für 2012 den Weltuntergang vorausgesagt haben?«, hob Julia fragend eine Augenbraue. Sie nahm Isabell das Tagebuch aus der Hand und betrachtete die Kopien wissenschaftlicher Texte, die sie um sich herum ausgebreitet hatten. Wenn sie schon eine Expertin vor sich hatte, konnte sie sich ja gleich mal aufklären lassen.
»Hast du etwa den Katastrophenfilm von Roland Emmerich gesehen?« Isabell verdrehte die Augen. »Das ist das Einzige, was den meisten zu den Maya einfällt. Das Ende der Welt. Und Menschenopfer.«
»Aber stimmt es etwa nicht?«, beharrte Julia. Die Geschichte hatte sie schwer beeindruckt. »Der Film baut doch auf Tatsachen auf. Zumindest habe ich das im Netz recherchiert.«
»Willst du es wirklich wissen?«, fragte Isabell mit einem schiefen Lächeln. »Meine Eltern forschen zu diesem Thema und ich kann es im Schlaf herbeten.«
»Die Kurzfassung. Und in normalem Deutsch, nicht in dem Wissenschaftlerlatein.« Julia knuffte Isabell leicht gegen den Oberarm.
»Also …«, begann Isabell. »Was stimmt, ist, dass am 21. Dezember 2012 der Kalender der Maya endet. In der Maya-Zählung schreibt sich das Datum als 13.0.0.0.0. Damit endet eine Epoche. Aber nicht die Welt.« Isabell zog einenMundwinkel hoch. »Es ist ein bisschen wie das Millennium. Viel Lärm um nichts.«
»Also glaubst du nicht, dass kurz vor Weihnachten 2012 alles zu Ende ist?« Julia fand selbst, dass sich das ein bisschen schräg anhörte, aber einiges von dem, was sie im Internet entdeckt hatte, klang schon bedrohlich und ernst zu nehmend.
»Die Maya haben Prophezeiungen über das Jahr 2012 hinaus getroffen, was ja sinnlos wäre, wenn sie erwartet hätten, dass es die Welt dann nicht mehr gäbe, oder?« Isabell strich sich mit zwei Fingern übers Kinn, was sie ernsthaft und erwachsen aussehen ließ. »Falls wir allerdings Weihnachten 2012 nicht erleben, müsste ich den Untergangspropheten recht geben und mich bei ihnen – und bei dir – entschuldigen.«
Julia erkannte erst eine Sekunde später, dass Isabell einen Witz gemacht hatte.
»Lass uns anfangen«, sagte sie lachend und holte weitere Fotokopien und ihre Notizen aus der Tasche. »Ich habe zu Hause noch ein paar Informationen über den Kaffeehandel gefunden und dir auch gleich eine Kopie gemacht.«
Sie breitete die Papiere auf Isabells Schreibtisch aus. Obenauf lagen die Bilder der Finca, alte Fotos und eines davon zeigte Margarete. Obwohl sie die Firmengründerin war, gab es kaum
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