Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)
war nicht bereit, ihre Meinung zu ändern. Elise schmiegte sich an das Bettzeug in dem Wissen, dass sie für lange Zeit darauf verzichten müsste.
V iel zu früh am nächsten Morgen wurde Elise von ihrer Mutter geweckt. Sie zog ihr Reitkleid an, das sie abends am Feuer aufgehängt hatte. Doch noch immer waren klamme Stellen im Stoff zu fühlen. Wie gern wäre sie noch geblieben, aber auch ihr Vater hatte betont, dass die Zeit knapp wurde. Also folgte sie ihrer Mutter ohne Murren und stieg nach einem opulenten deutschen Frühstück in Nemos Sattel. Auch dem Mula hatte die Rast gut getan. Nemo warf den Kopf hoch und tänzelte auf der Stelle, als ob er es gar nicht erwarten konnte, wieder in den Dschungel hinauszukommen. Ihr Reittier war eindeutig abenteuerlustiger als sie, dachte Elise, und klopfte Nemo den Hals.
Schon nach kurzem Ritt erreichten sie einen Wald.
»Hier sieht es aus wie in Deutschland, nicht wahr?«, sprach ihre Mutter sie an. »Kein Wunder, dass sich die Kaffee-Finqueros hier heimisch fühlen.«
Aber nur auf den ersten Blick, dachte sich Elise. Wenn man genauer hinsah, entdeckte man Palmen und Orchideen, die im Grün des Waldes Farbsprenkel bildeten. Ständig musste man den Kopf einziehen, weil Lianen aus den Laubkronen baumelten und drohten, die Reiter vom Pferd zu fegen. Elise rümpfte die Nase. An den modrigen Geruch des Regenwalds hatte sie sich noch immer nicht gewöhnen können. Sie spürte einen Brechreiz und musste ständig schlucken. Beinahe noch schlimmer war der Duft, nein, Gestank der Blüten, die miteinander zu wetteifern schienen, wer den widerwärtigsten Geruch verströmte. Elise hatte sich angewöhnt, ein Schweißtuch vor Mund und Nase zu binden, um dem Mief zu entkommen. Sie sähe damit aus wie ein mexikanischer Bandit, hatte ihr Vater gescherzt, aber Elise war das vollkommen egal.
Sie kamen nur langsam voran, weil das wild wuchernde Unterholz immer wieder von den Trägern mit einer Machete zerteilt werden musste. Doch hier konnten sie wenigstens reiten. Nicht wie in den tieferen Lagen des Nebelwaldes, wo sie absteigen mussten, weil sie Gefahr liefen, dass ihnen messerscharfe Gräser das Gesicht zerschnitten. Die Indios hatten einen Gang geschlagen, durch den sie sich kämpften, immer in Angst, sich Schnittverletzungen zuzuziehen, deren Blut sofort Schwärme von Moskitos und Fliegen anlockte.
Dass sie allerdings die Quetzals nur hörte, bedauerte Elise. Zu gern hätte sie einen der sagenumwobenen Vögel gesehen. Ihre Mutter hatte ihr von der Legende erzählt, dasser bis zur Eroberung Guatemalas durch die Spanier einfarbig grün gewesen war. Nach der Ermordung des letzten Quiché-Königs badete der Quetzal in dessen Blut und trug seitdem ein rotes Brustgefieder. Was für eine Geschichte! Düster und gefährlich wie ihre Reise und das Land.
Sonst hatte Elise von der Tierwelt Guatemalas nichts vermisst – weder gelbäugige Jaguare noch meterlange Würgeschlangen.
Endlich hob ihr Vater die Hand und gab das Zeichen zum Halt. Elise sprang sofort von Nemos Rücken und schlug sich in die Büsche. Das gute Essen des gestrigen Tages forderte seinen Tribut. Plötzlich weckten unbekannte Stimmen ihre Aufmerksamkeit und neugierig ging sie darauf zu. Als sie nahe genug herangekommen war, hob sie die Hand vor den Mund, um einen Schrei zu unterdrücken. Sie drehte auf dem Absatz um und lief hastig zurück zum Lager.
»Da … da hinten.« Elise zog Georg am Ärmel seines hellen Hemds. Sie war so aufgeregt, dass sie beinahe stotterte. »Ich habe Männer gesehen. Mit Gewehren.«
»Bist du sicher?« Sein Gesichtsausdruck war skeptisch.
»Ja. Ganz sicher.« Elise fühlte, wie ihre Wangen glühten. Fieberhaft überlegte sie, wie sie Georg erklären konnte, warum sie sich so weit in den Regenwald hineinbegeben hatte. »Ich habe … nach Orchideen gesucht und da habe ich etwas gehört …«
Georg legte den Kopf schief und eine Haarsträhne fiel ihm in die Stirn. Unter seinem aufmerksamen Blick fühlte sich Elise noch unbehaglicher und schaute zu Boden.
»Ich bin weitergegangen, weil ich plötzlich etwas Glänzendes gesehen habe und dachte, es wäre ein Artefakt.« Elise presste die Lippen zusammen. »Ich hatte gehofft, etwas zuentdecken, mit dem ich meine Mutter beeindrucken könnte. Und dabei habe ich sie entdeckt. Fünf Männer auf Pferden. Mit Gewehren.« Elise schauderte.
»Kannst du mir zeigen, wo das war?« Jetzt wirkte Georg beinahe so aufgeregt wie Elise selbst.
»Wo wollt ihr
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