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Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)

Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)

Titel: Im Land der Kaffeeblüten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Antoni
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Ringelboa. Eine corallus annulatus . Ein Jungtier. Sonst wäre sie dunkler. Schau nur.«
    »Unglaublich!«, zischte Elise. Der Zorn, der in ihr aufwallte, gab ihr die Kraft, sich aus ihrer Erstarrung zu lösen und loszulaufen. »Viel Spaß bei der Schlangenbeschau, Mutter!«
    »Lischen, so warte doch. Bitte.«
    Elise blieb stehen und drehte sich um. Henni Hohermuth war näher an die Schlange herangetreten. Das Reptil schlang sich wie ein Seil um den Ast. Der dreieckige Kopf mit den großen Augen pendelte in der Luft und schien den Streit zwischen ihnen interessiert zu beobachten.
    »Was willst du, Mutter?« Elise bemühte sich nicht um einen freundlichen Ton. Sie war viel zu verletzt. »Was ist?«
    »Komm vorsichtig her.« Hennis Augen leuchteten vor Begeisterung. Sie hatte die Hand ausgestreckt und stand ganz still. Nur noch wenige Zentimeter trennten sie von der Schlange. »Wenn du dich langsam bewegst, kannst du sie bestimmt anfassen.«
    Kurz bevor die Finger ihrer Mutter die rot schimmernde Haut der Schlange berührten, drehte sich Elise um und stapfte tiefer hinein in den Urwald, den Pfad entlang, den ihr Vater und Georg eingeschlagen hatten. Warum nur konnte sie keine normalen Eltern haben? Einen Vater, der in die Fabrik oder ins Büro ging. Eine Mutter, die denHaushalt führte, Essen kochte und am Sonntag einen Kuchen backte.
    Elise schniefte und stieß eine Liane weg, die über dem Weg hing. Sie schaute auf und blieb abrupt stehen. Wo waren Georg und ihr Vater? Hätte sie die beiden nicht längst einholen müssen? Wo war ihre Mutter? Selbst wenn sie die Schlange ausgiebig geknuddelt hätte, müsste sie langsam zu sehen sein. Elise schaute sich suchend um und lauschte.
    »Mutter! Vater! Georg!«, schrie sie und lief los. Zurück durch den Dschungel. Jedenfalls hoffte sie, dass es der Weg war, den sie gegangen war. Für sie sah alles gleich aus. Grünes Blattwerk, braune Baumstämme, ab und zu von leuchtenden Blüten durchbrochen. Wieder blieb Elise stehen, stemmte die Hände in die Hüften und schrie um Hilfe. Um sie herum flatterten Aras erschreckt auf. Doch kein Mensch antwortete ihr.
    Elise stolperte tränenblind weiter. Nur wenige Sonnenstrahlen drangen durch die Baumkronen und wiesen ihr den Weg. Sie schauderte. Sie blieb an etwas hängen und rutschte aus. Sie rappelte sich wieder hoch und konnte nur mühsam das Gleichgewicht halten. Was war das? Als sie aufsah, blieb ihr das Herz stehen. Sie blickte in eine Fratze, Augen und Mund in stummem Hass aufgerissen. Sie schrie auf, wollte fliehen. Plötzlich verschwand der Boden unter ihren Füßen und sie fiel … fiel … fiel.

38
    Die letzten Wochen waren für Margarete wie im Flug vergangen. Sie hatte so viel arbeiten müssen wie noch nie zuvor in ihrem Leben. Zu ihrer Überraschung hatte ihr das besser gefallen als die Zeit des Müßiggangs. Gemeinsam mit dem Fräulein, das eine erstaunliche Zahlenkenntnis besaß, und ihrer Großmutter war Margarete die Geschäftsbücher durchgegangen – und war über das Ausmaß der Schulden erschrocken. Es gab Tage, an denen sie keinen anderen Ausweg sah, als die Finca zu verkaufen und nach Deutschland zurückzukehren. Oder – schlimmer noch – die Eheangebote von Karl Federmann oder Robert Linden in Betracht zu ziehen, um ihrer Großmutter und ihrem Vater ihr Stück Heimat zu bewahren. An diesen dunklen Tagen erwies sich ihre Liebe zu Juan als das helle Licht, das ihr Hoffnung gab und eine bessere Zukunft versprach. Jeden Tag stahl sich Margarete davon, traf sich mit dem Geliebten an ihrem Wasserfall und genoss die Stunden der Zweisamkeit, als ob es kein Morgen gäbe. Für diese Augenblicke lebte sie und war bereit, alles andere dafür in Kauf zu nehmen.
    Ihren Vater sah Margarete nur selten. Er kam nur noch zu den Mahlzeiten aus seinem Zimmer und wurde immer verschlossener. Nicht einmal ihrer Großmutter gelang es, die Mauer zu durchbrechen, die Alfred Seler um sich herum aufgebaut hatte. Die Abendessen gestalteten sichschweigsam, nur Margarete fragte ab und an nach Details zu den Geschäftsberichten. Die Antworten ihres Vaters kamen widerwillig, teilweise trotzig. Häufig arteten ihre Gespräche in Streit aus, der damit endete, dass ihr Vater das Besteck auf den Teller knallte und aus dem Speisezimmer stürmte. Margarete schmerzte die Kälte, mit der er ihr begegnete, aber immerhin sprach ihr Vater nicht mehr davon, dass sie Karl Federmann zum Manne nehmen musste. Daher traf es sie unvermutet, als ihr Vater

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