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Im Land der Katharerburgen : Leseproben & mehr (German Edition)

Im Land der Katharerburgen : Leseproben & mehr (German Edition)

Titel: Im Land der Katharerburgen : Leseproben & mehr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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Mönchen öfter heftigen Streit gegeben. Es war meist um Kleinigkeiten gegangen, einmal hatten die beiden allen Ernstes die These aufgestellt, dass eine Maus, die heimlich vom Taufwasser gesoffen hätte, für getauft zu halten wäre. Dann aber hatte es heftige Meinungsverschiedenheiten gegeben, die Bischof Castaignet betrafen, dem sie Maßlosigkeit vorhielten, und Fulco von Saint-Georges hatte mit eisernen Besen kehren müssen, um die Ehre des Bischofs und die Ruhe im Kloster wiederherzustellen. Seit kurzem nun sagte man dem Cellerar nach, dass er dem Averroismus nahestände und heimlich die verbotenen Schriften dieses Siger von Brabant läse, die von der einen, allen gemeinsamen Vernunft handelte. Saint-Georges hatte keine Zweifel an dieser unglaublichen Anschuldigung gehabt – er kannte seinen Cellerar -, und hatte deshalb zweimal in Henricus` Abwesenheit sein Pult durchsuchen lassen, jedoch nichts entdeckt, das für eine Anklage gegen Häresie ausgereicht hätte. Der Mann war durchtrieben. Statt seiner war nun der Müller Calveries angeklagt, etwas, was dem Prior einfach nicht aus dem Kopf gehen wollte.
    Saint-Georges trat wieder näher ans Fenster und spähte hinab. Konnte es sein, dass sich die Nachricht von der bevorstehenden Verhaftung der Albigenser bereits herumgesprochen hatte? Nachdem der Cellerar schließlich zum Küchentrakt zurückgekehrt war, atmete der Prior mehrere Male tief und befreit die kalte Abendluft ein. Dann setzte er in die Tat um, was zuvor in seinem Kopf Gestalt angenommen hatte. Er nahm sich noch einmal die Liste der Verdächtigen vor und ergänzte sie nach kurzem Zögern um den Namen des Cellerars. Schließlich konnte seinem Nachfolger, Prior Conrad, der ständige Ärger mit Bruder Henricus nicht zugemutet werden, dachte Saint-Georges und fühlte seinen Entschluss allein aus diesem Grund gerechtfertigt. Einen Häretiker im Kloster zu haben, war nicht nur nicht tragbar, es war höchst gefährlich. Aber da war da noch der seltsame Todesfall von Bruder Berthold vor einem Jahr. Schon damals hatte es Gerüchte gegeben, dass Henricus nachgeholfen hätte, weil Berthold ihn nicht mehr hatte decken wollen. Wer weiß, vielleicht würde er jetzt – als Inquisitor – die Wahrheit erfahren. Zufrieden blies Saint-Georges die Asche vom Dokument und rollte es zusammen. Ab heute gehörte er also zu den domini canes. Auf dieses Schimpfwort, das den Inquisitoren galt, war er nicht sehr stolz. Trotzdem gefiel es ihm, dass die „Hunde des Herrn“ lieber handelten, statt endlos zu debattieren oder mit feurigen Worten Botschaften zu verkünden, die die Menschen gar nicht hören wollten.
    Weisungsgemäß ließ er am nächsten Morgen die Männer von Albi und obendrein den Cellerar verhaften und nach Carcassonne verbringen. Um Calveries würde er sich persönlich kümmern. Der Müller zumindest hatte eine Chance verdient. Wenn er mit ihm redete, würde er sicherlich abschwören.
    Mit der Verhaftung ihrer besten Männer brach die Finsternis über Albi herein, die schöne alte Stadt am Tarn, die schon Römer, Westgoten und Sarazenen in ihren Mauern gesehen hatte, die man aber seit den Tagen des Heiligen Bernhard als hochgradig ketzerisch verseucht ansah. Die rote, wehrhafte Kathedrale war nicht zuletzt als katholisches Bollwerk gebaut worden, um die Ketzer einzuschüchtern. Ihre monumentale Größe, ihr martialischer Anblick allein schien auf den ersten Blick jeden Unglauben zu erschüttern. Doch auch sie hatte es nicht vermocht, den römisch-katholischen Glauben fortan rein zu halten.
    „Weshalb ausgerechnet meinen Mann?“ hatte die Frau des Guilheme Calveries Saint-Georges angeschrien und sich voller Verzweiflung an die Brust geschlagen, als man ihn abführte. „Welche Beweise liegen Euch vor, ehrenwerter Prior? Mein Mann lügt und trinkt, isst sogar täglich Fleisch – wie kann er da Katharer sein? Außerdem wohnt er regelmäßig der Messe bei und erfüllt alle seine religiösen Pflichten! Wenn Ihr selbst es vergessen habt, was ich mir nicht vorstellen kann, so fragt unseren guten Bischof Bernhard!“
    Fulco von Saint-Georges hatte geschwiegen, wenngleich ihm die Vorwürfe der Frau nicht unberührt gelassen hatten. Doch sie konnte nicht wissen, dass Bischof Bernhard von Castaignet, Herr über ausgedehnte ländliche Liegenschaften und Vizeverwalter der Inquisition, mit einigen der Delinquenten heftig im Zwist lag. Nicht wenige der soeben verhafteten Männer hatten sich nämlich geweigert, ihm mehr als

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