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Im Land der Orangenbluten

Im Land der Orangenbluten

Titel: Im Land der Orangenbluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: belago
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tauchte hinter einem hölzernen Aufbau eine Frau an Deck auf. Sie kämpfte mit ihrem Umhang und versuchte, im Wind das Tuch auf dem Kopf zu behalten. Als das Schiff einen bockigen Hopser über eine Welle machte, kam die Frau ins Straucheln. Julie sprang auf sie zu, hielt sie am Arm und verhinderte so den Sturz. Dankbar blickten sie zwei braune Augen aus einem schneeweißen Gesicht an. »Danke, ich ... dieses Schaukeln, ich dachte es würde nicht mehr so schlimm ...«
    Julie half der Frau an die Reling. »Schauen Sie auf den Horizont und atmen Sie ein paarmal tief ein und aus, das hilft mir immer.« In der Tat bekam das Gesicht der Frau nach einigen Minuten eine etwas rosigere Farbe. Zufrieden ließ Julie die Frau los. Beide stellten sich in den Windschatten eines Deckaufbaus.
    »Danke noch mal, eigentlich geht es ja, aber heute ... die Wellen ... und in unserem Deck ...« Sie sprach Niederländisch, aber der deutsche Akzent war nicht zu überhören. Beschämt senkte die Frau jetzt den Blick. »Entschuldigen Sie, wie unhöflich, ich habe mich gar nicht vorgestellt. Erika Bergmann.«
    »Juliette Leevken.« Julie lächelte Erika aufmunternd zu, und bei genauerer Betrachtung stellte Julie fest, dass Erika kaum älter war als sie selbst. Die junge Frau machte Julie neugierig. »Stammen Sie aus Surinam, oder ist es auch Ihre erste Reise dorthin?«
    Erika nickte, dabei machte sie aber ein besorgtes Gesicht. »Wir gehören zur Herrnhuter Gemeine.«
    »Ah.« Julie wusste nicht genau, was sie darauf antworten sollte. Sie hatte zwar gehört, dass die Herrnhuter eine Gemeinschaft der evangelischen Kirche waren, aber da sie sich nie besonders für Glaubensdinge interessiert hatte, konnte sie die Aussage nicht einordnen.
    »Und was werden Sie in Surinam machen?«, fragte sie statt sich näher zu erkundigen.
    Jetzt huschte ein Lächeln über Erikas Gesicht. »Mein Mann Reinhard wird dort in der Mission arbeiten. Und ich in der Krankenpflege.«
    Julie erfuhr noch von Erika, dass sie aus dem württembergischen Land stammten und vor der Reise einige Wochen in den Niederlanden gelebt hatten, um sich vorzubereiten und die Sprache zu erlernen.
    »Und Sie ... stammen aus Surinam?« Erika richtete hoffnungsvoll den Blick auf Julie.
    Julie schüttelte den Kopf.
    »Nein, auch für mich wird dieses Land neu sein, mein Mann lebt dort.« Sie hoffte, dass Erika jetzt nicht weiter nachfragen würde. Gegenüber der Frömmlerin wäre es ihr unangenehm gewesen, zu gestehen, dass sie Karl eher nicht des Glaubens wegen, sondern gerade als Flucht vor eben diesem geheiratet hatte.
    Aber Erika gab nur ein »Wie schön« von sich und blickte Julie dann mit ihren unschuldigen braunen Rehaugen an. »Was treibt Sie denn hier auf das Vorderdeck? Bei Ihnen hinten soll es doch sehr komfortabel sein?«
    »Ich ... ich wollte nach unserem Dienstboten sehen.«
    »Oh. Wie heißt er denn, vielleicht kenne ich ihn ja.«
    »Aiku.«
    Erika runzelte die Stirn. »Nein, den Namen hab ich noch nie gehört, aber vielleicht ist er eher bei den Holzfällern zu finden.«
    »Er ... er ist auch eher nicht ... er ist ein Schwarzer.«
    Jetzt machte Erika ein überraschtes Gesicht. »Nein, einen Schwarzen habe ich noch gar nicht bei uns auf dem Deck gesehen, da müssen Sie sich irren. Die sind doch bestimmt ... bestimmt hinten bei den Herrschaften untergebracht?«
    »Nein, deswegen wollte ich ja nach ihm sehen.«
    Erikas Gesicht hatte endlich wieder Farbe angenommen. Jetzt strahlte sie Julie förmlich an. »Na, dann kommen Sie, Mevrouw Leevken, ich weiß jemanden, den wir danach fragen können.« Erika schritt schwankend, aber frohen Mutes, um einige Aufbauten herum bis zu einem Abgang. Dort trafen sie auf einen Matrosen, der wegen des starken Windes mit der Türklappe kämpfte. Julie fragte sich, ob er wohl zufällig oder doch eher als Wache hier stand. »Guter Mann, grüß Gott. Die Dame hier«, Erika musste gegen den heulenden Wind anschreien und deutete auf Julie, »möchte zu ihrem Dienstboten, einem Schwarzen. Können Sie uns helfen und uns sagen, wo dieser untergebracht ist?«
    Der Matrose sah sie verwundert an, er schien nicht damit gerechnet zu haben, heute überhaupt jemanden an Deck zu sehen. »Ach ja, der wird wohl im Unterdeck untergebracht sein, denke ich«, rief er zurück.
    »Und wie komme ich dorthin?« Julie trat neben Erika.
    »Hm, Mevrouw ... ich denke, Sie sollten nicht ...« Er wand sich sichtlich, ihr Rede und Antwort zu stehen.
    »Nun antworten Sie schon.«

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