Im Land der Orangenbluten
Julie schien die Situation sehr eigenartig.
»Nun, da müssen Sie durch das Zwischendeck und dann ... bei den Laderäumen, da sitzt der Matrose Ferger, vielleicht kann er Ihnen helfen.«
»Danke.« Ehe Julie sich versah, schob sich Erika an dem Matrosen vorbei und verschwand auf der Stiege, die unter Deck führte. »Kommen Sie, ich weiß, wo wir ihn finden! Und ...«, Erika war sich im Klaren darüber, dass Julie mehr Luxus gewohnt war, »... hier ist es nicht so ... so wie auf Ihrem Deck, denke ich. Passen Sie bitte auf, wo Sie hintreten.«
Julie zögerte kurz. War das jetzt erlaubt, dass sie sich in diesen Schiffsbereich begab? Ach was, dachte sie bei sich, schließlich suche ich meinen Bediensteten! Sie raffte ihren Rock und folgte Erika Bergmann die Stiege hinab.
Das Zwischendeck in diesem Schiffsbereich bestand nicht, wie von Julie erwartet, aus Kajüten, sondern war ein großer Raum, in dem Reihe an Reihe Hängematten den Gang säumten. Diese schwankten beträchtlich im Takt der Wellen. In den Matten lagen Passagiere, und vielen sah man an, dass die Schaukelei ihrer Gesundheit nicht gerade zuträglich war. Einige Männer, die Julie zuvor auf Deck beim Kartenspiel beobachtet hatte, machten tuschelnd ein paar Witze. Es war eng hier, und es roch auch nicht besonders angenehm. Julie wurde deutlich bewusst, dass ihr in ihrer Kabine die bequemere Art des Reisens zuteil wurde.
Ein Mann sah verwundert von seinem Buch auf, als die Frauen an seiner Schlafstätte vorbeikamen. »Erika? Wo bleibst du denn?«
»Reinhard«, Erika blieb kurz stehen, »Mevrouw Leevken, mein Mann Reinhard. Ich komme gleich, ich wollte der Dame nur den Weg zeigen.«
Julie nickte dem Mann kurz zu. Eilig schritt Erika den Gang weiter entlang, bis sie erneut an eine Stiege kamen, die ganz nach unten führte. In der letzten Hängematte davor lag ein klobiger, düster dreinblickender Mann.
»Matrose Ferger!« Julie wunderte sich über Erikas Schneid, sie hatte der jungen Frau kein so resolutes Auftreten zugetraut. »Die Dame möchte zu ihrem Dienstboten. Ähm ... einem Schwarzen. Können Sie uns sagen, wo wir ihn finden?«
Ferger grunzte zwar überrascht, erhob sich dann aber angesichts Julies Gegenwart schwerfällig und stapfte die Treppe in den Schiffsbauch hinunter. Julie und Erika folgten ihm zögerlich. Sie stiegen noch zwei weitere Stiegen hinter Ferger hinab, bis dieser vor einer Tür hielt. »Hier, bitteschön, die Damen.« Er stieß die Tür auf und grinste dabei sekkant, als wolle er gar gehobene Umgangsformen nachäffen.
»Danke.« Julie versuchte, einen sicheren Tonfall anzuschlagen. Dann trat sie in den finsteren Raum hinter der Tür. Noch während sich ihre Augen an das Dämmerlicht gewöhnten, hörte sie ein Rasseln und erschrak, als sie zwei schwarze Gestalten an der Wand entdeckte, die offensichtlich in Ketten lagen.
Erika zog scharf die Luft ein und schaute Julie betroffen an.
Julie war entsetzt.
Aikus weiße Augen blitzten überrascht auf, als er Julie erkannte, dann senkte er sofort den Blick. Sein Gesicht war deutlich eingefallen. In dem Raum roch es beißend nach menschlichen Exkrementen, und Julie meinte, in einer Ecke etwas Kleines, Pelziges hinforthuschen zu sehen. Besorgt trat sie einen Schritt auf den Schwarzen zu, dieser kauerte sich aber beschämt zusammen.
»Aiku. Geht es dir gut?«
Der Schwarze nickte kaum merklich. Jetzt erst sah Julie, dass die beiden Sklaven nackt waren. Sie wandte den Blick ab, sie wollte den beiden schwarzen Männern nicht noch mehr Schmach bereiten. »Warum haben die nichts an?«, wandte sie sich an Ferger.
»Na, is halt manchmal heiß hier unten, Mevrouw. Denen geht’s doch vorzüglich«, das Grinsen des bulligen Matrosen wurde noch breiter.
Julie wusste nicht einmal, was sie erwartet hatte. Aber dies hier war jenseits ihrer Vorstellungskraft. Sie bemühte sich, die Fassung zu wahren. »Bringen Sie uns wieder nach oben.«
Zornig stieg sie die Stiegen hinauf. Sie musste mit Karl sprechen. Wie konnte es angehen, dass diese Menschen wochenlang hier unten in Ketten lagen wie Schwerverbrecher?
Erika taumelte benommen hinter Julie nach oben. Der erste Vorgeschmack, wie mit Sklaven in ihrer neuen Heimat umgegangen wurde, hatte auch sie tief getroffen.
Kapitel 13
Als Kiri die Schreie vernahm, schreckte sie aus dem Schlaf.
»Tante Grena?« In der kleinen Hütte auf der Plantage Heerenhut bemerkte Kiri, dass Tante Grenas Matte verwaist war. Leise stand sie auf und schob den Vorhang,
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