Im Land der Orangenbluten
wurde, dass sie anders war als die anderen Kinder, da hatte sie sich manchmal gewünscht zu wissen, woher sie wirklich kam. Ihre Haut war etwas heller als die der Plantagensklaven, ihr Haar nicht ganz so kraus, und ihre Gesichtszüge waren wesentlich feiner. Einmal hatte sie zwei alte geschwätzige Frauen darüber lästern hören: »Die kleine Kiri ist doch wohl ein Bastardkind.« Kiri hatte Grena gefragt, was Bastard bedeutete, aber die hatte nur abgewinkt: Kiri sollte sich um das Geschwätz der anderen nicht kümmern. Später hatte sie dann selbst die Antwort gefunden, als Linu, eine der Arbeiterinnen, ein Kind von auffallend heller Farbe geboren hatte. Der Masra der Plantage war erbost darüber gewesen, denn Mischlinge durften nicht zur Arbeit in den Plantagenpflanzungen eingesetzt werden. Linu hatte ihn also um eine zukünftige Arbeitskraft gebracht. Wer der Vater des Kindes war, erfuhr Kiri nie. Aber je älter sie wurde, desto öfter bekam sie mit, wie Sklavenfrauen Mischlingskinder gebaren, ohne dass je ein Vater genannt wurde. Und manchmal verschwanden diese Kinder auch einfach, ohne dass je ein Wort darüber verloren wurde.
Kiri durfte wegen ihrer helleren Haut auch nicht mit auf die Felder gehen, stattdessen arbeitete sie als Küchenmädchen beim Masra.
Jetzt schluchzte sie leise. Sie musste hier weg. Fieberhaft überlegte sie, was zu tun war. Die Boote! Sie konnte sich in einem der Boote verstecken. Kiri rappelte sich auf und schlich um die Kostäcker Richtung Fluss. Im Schatten des Waldes hastete sie geduckt bis ans Ufer und von dort zu dem Platz mit den kleinen Booten der Plantage. Leise stemmte sie sich an Bord und verkroch sich unter den Planen, die zusammengelegt darin lagen. Sie versuchte, ihren zitternden Körper unter Kontrolle zu bekommen. Als sie jedoch Schritte eilig näher kommen hörte, erstarrte sie vor Angst. Waren die Buschneger auch auf die Boote aus? Sie hörte zwei flüsternde Männerstimmen, dann schwankte das Boot, und Kiri merkte, wie es vom Ufer abgestoßen wurde und auf den Fluss glitt. Sie drückte sich fest an die kalten Holzbretter des Bootshecks und versuchte, unter den schweren Planen kein Geräusch zu machen. Nach einer Weile hörte sie die Stimmen wieder. Kiri kannte sie, sie gehörten zwei der jungen Arbeitssklaven. Die Männer schienen sich in Sicherheit zu wiegen und sprachen nun lauter. Kiri vernahm Worte wie Überfall, Tod und Glück. Anscheinend waren die beiden froh über ihre gelungene Flucht. Sie sprachen davon, bis zur Stadt zu fahren. Kiri hielt sich unter der Plane versteckt, sie hatte große Angst, entdeckt zu werden. Wer konnte schon wissen, was die Männer mit ihr anstellen würden?
Kapitel 14
Karl stand vor Julie und funkelte sie böse an, dann erhob er seine Stimme. »Kannst du nicht ein Mal machen, was man dir sagt? Was fällt dir eigentlich ein, auf dem Schiff herumzuschleichen? Das Vorderdeck ist nicht umsonst abgetrennt. Und ich hatte dir gesagt, dass dich das nicht zu interessieren hat! Er ist ein Neger, ein Sklave, das ist ganz normal. Er bekommt Wasser und Nahrung, und alle paar Tage darf er nachts raus und sich die Beine vertreten. So wird das immer gemacht.«
Das mit dem Ausgang stimmte ganz sicher nicht, dünkte Julie, sonst hätte Erika die Sklaven irgendwann schon einmal gesehen. Es gab schließlich nur einen Aufgang. »Aber das ist doch keine Art«, wagte Julie leise zu sagen. Ihre Stimme brach, sie war verwirrt von diesem plötzlichen Ausbruch. So hatte er sie noch nie angeschrien.
Karl stemmte die Hände in die Hüften und beugte sich bedrohlich zu ihr vor. »Diese Neger sind dumm, Juliette. Manche versuchen sogar, vom Schiff zu springen – es ist zu ihrer eigenen Sicherheit.« Damit drehte er sich um und zog seine Jacke gerade. »Außerdem ... Du solltest nicht zu viel Sympathie mit den Negern hegen!« Da war es wieder, dieses drohende Glühen in seinem Blick, das Julie sofort zum Schweigen brachte. Sie konnte es nicht mehr leugnen: Karl hatte sich in den Wochen auf See verändert.
Und sie konnte Aiku nicht seinem Schicksal dort unten, tief im Bauch des Schiffes, überlassen! Hilfesuchend wandte Julie sich am nächsten Tag an Erika. Es war ein großes Risiko, sich noch einmal auf Deck an die Absperrung zu schleichen. Aber Julie musste mit Erika sprechen. Schließlich konnte sie Aiku nicht wochenlang der Willkür dieses Matrosen Ferger aussetzen.
»Würden Sie vielleicht ... mein Mann wünscht nicht ...« Julie wusste nicht genau, wie
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